Wie im letzten Beitrag ja am Ende geschrieben, habe ich in Karakol einen Pausentag gemacht. Das Hotel „Tourist“, in dem ich war, wurde wahrscheinlich in den 80er Jahren erbaut und seitdem nicht viel renoviert. Alles sehr spartanisch, doch die Betten waren sauber. Den Pausentag verbrachte ich mit Ausruhen und ein wenig Blog-Schreiben. Abends wollte ich nochmals in dasselbe Restaurant wie Tags zuvor gehen, weil das Essen sehr lecker war. So raffte ich mich kurz vor 18 Uhr auf und plötzlich wurde mir ein wenig schlecht und unwohl. Naja, dachte jetzt geh mal was Essen, dann wird das wieder. Beim Bestellen im Restaurant wurde es dann schlimmer. Ich bekam mein Essen, aß ein paar Happen und dann ging es auch ganz schnell und ich stürmte Richtung Toilette. Ich musste mich heftigst übergeben, ließ das Essen zurück gehen und machte mich auf den Weg ins Hotel. Auf dem Weg dorthin musste ich mich nochmals übergeben. Im Hotel dann noch mal heftiger Durchfall und urplötzlich war meine ganze Energie weg und es ging nur noch Liegen. Ich hatte mir noch mit letzter Kraft aus meiner Reiseapotheke Kohletabletten auflösen können und lag ab da nur noch im Bett. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, mit Schüttelfrost und Magenkrämpfen im Bett zu liegen. Am nächsten Tag schleppte ich mich in die örtliche Apotheke und besorgte mir Kamillentee und Mineralstoffe, um meinen Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Das funktionierte auch ganz gut, sodass ich abends beschloss am nächsten Tag langsam weiter zu fahren. Es wurde auch Zeit. Das Hotel versprühte nicht unbedingt positive Energie.








Am nächsten morgen schlief ich aus und startete gegen 11 Uhr. Für mich hieß es jetzt immer entlang des Naryn Flusses zu fahren. Ich freute mich auf imposante und schroffe Landschaft. Ich kaufte mir beim örtlichen Bäcker noch ein frisches und warmes Brot und nahm die Abfahrt von Karakol Richtung Naryn. Ich suchte mir dann ein schattiges Plätzchen am Ortseingangsschild und frühstückte ein wenig, um zu schauen wie das mein Magen verkraftet. Währenddessen hielt ein Auto mit – vermutlich – Großmutter, Mutter, 2 Töchtern und Enkelsohn. Trotz wehrender Ablehnung zerrte mich die Großmutter mit aufs Familienbild und nach kurzem Smalltalk rasten die 5 nach Kommando der Großmutter weiter. Man merkt schon wer hier in den Familien das Sagen hat.
Meine Fahrt ging dann immer entlang des Naryn mit dezent steilen Auf- und Abfahrten bei knackigen Temperaturen über 30 Grad. Die Landschaft mit den schroffen, steilen Felswänden und der türkisblaue Fluss sind eine Augenweide. Allerdings war ich durch meine Magenverstimmung noch gehandicapt und fuhr mit langsamen Tempo, was aber völlig in Ordnung war. Nach gut 50 km sagte ich mir, das ist genug für heute, und fand einen tollen Zeltplatz direkt am Fluss zum Baden. Der Platz war schön abgelegen, mit tollem Ausblick. Ich entspannte dort den ganzen Nachmittag und nutzte die Zeit zur Erholung. Mein Plan war es abends noch ein Lagerfeuer zu machen, doch ein extrem aufkommender Wind nach Sonnenuntergang machte den Plan zunichte, da ich aufpassen musste, dass mir mein Zelt nicht wegflog. Der Wind hielt die ganze Nacht an und wurde stärker, sodass ich höchstens eine Stunde schlief. Nachdem es dann frühs kurz vor 5 Uhr donnerte und blitzte entschied ich mich schnell alles im Dunkeln zusammen zu packen bevor erst alles nass ist und der Wind noch stärker wird. Ich bekam ein paar Tropfen ab und hatte anscheinend eine gute Idee. Ich verließ meinen Zeltplatz im Dunkeln und machte mich weiter auf den Weg nach Osh.
















Trotz wenig Schlaf hatte ich deutlich mehr Energie als am Vortag und so hatte ich bis mittags dann schon fast 85 km hinter mich gebracht. Auch dem geschuldet, dass es mal keine hohen Berge zu überwinden galt und die Strecke relativ eben war. Es ging entlang der usbekischen Grenze. Ich hatte überlegt eine Abkürzung durch Usbekistan zu nehmen, da mir das ca. 120 km erspart hätte. Doch nach einiger Recherche, fand ich heraus, dass der Grenzübergang in der Nähe nicht geöffnet ist. Also nix mit Abkürzung.
Ich machte dann ausgiebig Mittag und fuhr dann nach 3 h Pause weiter. Ich fand einen großen Baggersee an der Straße, welchen ich ansteuerte. Dort war ein kleiner Imbiss und viele Kirgisen, die sich dort abkühlten bei den heißen Temperaturen von über 35 Grad. Ich nutzte auch die Möglichkeit zur Abkühlung und wurde natürlich gleich von unzähligen Kirgisen angesprochen, wo ich herkomme, wohin ich will und so weiter. Mit meinen wenigen Russisch-Kenntnissen komme ich doch immer wieder sehr weit hier. Russisch ist neben Kirgisisch Zweitsprache hier und wird von mehr als 50% der Menschen gesprochen. Ich kochte mir Nudeln zum Abendessen und genoss die Atmosphäre am See, mit einem grandiosen Sonnenuntergang direkt vor mir. Nach Sonnenuntergang zog wieder wie aus dem Nichts ein Wind auf, der mich an letzte Nacht denken lies. Ich wartete bis alle Gäste verschwunden waren und sicherte mir dann direkt am Strand und Bäumen eine Sitzgelegenheit, um hier meinen Schlafplatz zu errichten, natürlich ohne Zelt. Die Nacht war sehr angenehm, vor allem weil ich mir einen Windschutz baute und so gut ausgeschlafen am nächsten Morgen aufwachte. Die Szenerie am Morgen mit der aufgehenden Sonne war magisch und ich genoss das Ganze sehr, auch wenn das heißt später in der Hitze zu starten. Wenn ich heute gut durchziehe, dann schaffe ich die 115 km bis nach Osh, war mein Plan. Es ging recht schleppend voran und nach ein paar Kilometern stand auch schon der erste Berg vor mir, den ich doch mehr schlecht als recht bezwang. Nach der nächsten Abfahrt wurde ich langsam warm, besorgte mir erstmal Snacks und Wasser. Denn der nächste Berg mit gut 500 hm stand vor der Tür. Die Straßen an dem Tag, sowie dem Tag zuvor, waren teilweise in höllischem Zustand, mit Schlaglöchern und Bodenwellen übersäht. Da macht das Fahren keine Freude. Auch wurde an manchen Stellen die Straße komplett erneuert und es war nur Schotter und Schlamm, auf dem ich fuhr. Zur Staubbekämpfung fährt immer ein Lkw mit Bewässerungsvorrichtung die Piste ab. Das hilft zwar teilweise gegen den Staub, der Dreck bleibt trotzdem.














So schaffte ich es doch am späten Nachmittag in Osh einzufahren und bin happy mich hier noch ein paar Tage auszuruhen. Untergekommen bin ich im ‚Lovely Home for you‘ Hostel mit tollen Ambiente, einem schönen Garten und einer sehr hilfsbereiten Gastgeberin.
Ich habe Osh ein wenig erkundet, war auf dem Hausberge, dem Heiligen Sulamein-Too und habe mir den Bazar von Osh angeschaut. Osh besteht seit über 3000 Jahren und war ein wichtiger Standort entlang der Seidenstraße. Der Bazar war wirklich riesig, verwinkelt und überall waren Stände und Händler. Allerdings gab es überall das gleiche Gemüse- und Obstangebot, gleiche Kleidung und jede Menge Ware aus China. Wer noch nie einen Bazar besucht hat, kann das tun, für alle anderen gibt’s hier nicht viel Neues zu entdecken.
Im Hostel habe ich mich mit vielen Gästen ausgetauscht und interessante Gespräche geführt bei denen ich den ein oder anderen Tipp für Kirgisistan mitnehmen konnte. Es ist immer toll doch mit Menschen auszutauschen über das was man erlebt und gesehen hat.
Das war soweit der Teil, den ich im Außen erlebt habe. Wie sieht es mit dem nach Innen-gehen aus? Die ersten Tage bin ich natürlich mit der Prämisse gestartet: fahren, fahren, fahren, denn ich will ja ankommen. Nur stellte ich mir dann die Frage: wo will ich denn ankommen? Eigentlich doch bei mir. Und merkte da doch schnell, wie ich das Hamsterrad von Zuhause mit dabei hatte. Hauptsache weiter, denn an der nächsten Ecke liegt ja vielleicht das Glück. Doch ist schon mal jemand angekommen im Leben? Alle arbeiten mit größter Energie daran ihre Ziele zu erreichen und vergessen dabei – so wie ich auch -, dass die Freude auf dem Weg liegt, im Tun an sich. So entschied ich mich daher einen Pausentag einzulegen. Im Nachhinein war es gut und ich konnte meinen Magendarminfekt im Hotel, statt im Zelt auskurieren. Rückblickend macht doch alles Sinn.
Komischerweise hatte ich während Hotelaufenthalten das größte Problem mit Einsamkeit und fragte mich, was mache ich denn hier. Alleine abends am Zelt zu sitzen, war bisher kein Problem. Ich nutzte dann immer mein Notizbuch und schrieb mir Dinge bewusst auf, die mir Angst machten. Um mich ihnen zu konfrontieren und meine Gedanken dazu zu notieren. Denn Angst entsteht durch unseren Verstand. Der Verstand sichert unser Überleben, hält uns aber auch häufig in unserer Komfortzone fest. Diesen Weg gehe ich nun schon länger, mit dem regelmäßigen Aufschreiben meiner Ängste, Wünschen und Zielen und er hält immer wieder Geschenke für mich bereit.
Was mir schon sehr bewusst aufgefallen ist: dass sich durch das komplette Nicht-planen des Trips, z.B. wo schlafe ich heute Abend, sich ein starkes Urvertrauen in mir breit gemacht hat. Dass sich alles für mich fügen wird. Das, was mir doch früher häufig im Alltag verloren gegangen ist. Sich dadurch viel Angst in mir breit machte und das „wenn-dann-Karussell“ befeuerte wurde.
Was sich erstaunlich schnell einstellte, war, dass ich vergessen habe, welcher Wochentag ist. Das denke ich, ist immer ein guter Indikator, dass man vom gewohnten Alltag abgeschaltet hat.
Ansonsten erholte sich mein Körper von den ersten 700km ganz gut und schlägt sich super. Ich habe mich ein wenig vorbereitet, jedoch ist es doch was anderes dann wirklich mit viel Gepäck und vielen Höhenmetern unterwegs zu sein. Ich bin trotz der Anstrengung happy unterwegs zu sein und alle Hürden genommen zu haben, um hier zu sein.
Für mich geht es jetzt im entspannten Tempo von Osh Richtung Pik Lenin (7150 m). Einen Berg, den ich natürlich nicht besteigen will, aber mir das ganze mal aus der Nähe anschauen will. Es sind ca. 220 km bis nach Sary Mogul, mit Knapp 4000 hm. Was ich dort so erlebt habe, gibt’s dann im nächsten Beitrag.