Bis ans Ende der Welt

Nach unserer Ankunft in Santiago haben wir den Abend mit Andy in einer coolen Tapas Bar ausklingen lassen. Dabei beschlossen Robert und ich, dass wir nicht nach Finisterra laufen werden. Ich warf in den Raum: „lass uns doch Roller mieten“, und er brachte die Idee, wir könnten uns auch Fahrräder mieten. Joar, beim Radfahren war ich dabei. Spontane Planänderungen sind doch immer gut. Dann haben wir am nächsten Morgen den nächsten Fahrrad-Verleih aufgesucht und uns zwei Räder geschnappt. Im Radladen wurde gerade ein TV-Interview geführt und natürlich wurden auch wir als ausländische Prominenz noch zu unserem Vorhaben „Jakobsweg“ interviewt. Mit sehr spartanisch ausgestatteten Bikes ging unsere Reise los. 

Wir heizten mit den Bikes durch die Stadt und hatten enormen Spaß. Die Bremsen funktionierten am Anfang kaum und das Fahrgefühl war sehr gewöhnungsbedürftig – das garantierte jede Menge Action. Wir bogen dann wieder auf den ursprünglichen Jakobsweg in Richtung Finisterra ab. Hier ging es immer nur bergauf und bergab mit krassen Steigungen. Wir passierten unglaublich viele Pilger auf unserer Tour. Nach einer ausgiebigen Mittagspause, nahmen wir die letzten Kilometer zu unserer Herberge in Angriff. Nach 60 km und ca. 1400hm war Schluss und wir kehrten in Oliveira in einer sehr überfüllten Herberge ein. Wir trafen dort Lennö aus Halle wieder und noch ein paar andere Deutsche. Wir hatten wieder einen Gemeinschaftsschlafraum mit 8 Betten und 6 Rentnern. Als wir in den Raum mit einem kleinen Fenster kamen, stach sofort der Mix aus Deo und Schweißgeruch in die Nase. „Willkommen im Pumakäfig“, dachte ich und „das wird bestimmt noch lustig hier“. Und in der Tat, die Herren sorgten für ordentlich Unterhaltung. Einer der Herren hatte einen mobilen DVD-Player in seinem Pilgergepäck mit dabei und erleuchtete damit den ganzen Raum, trug aber noch Kopfhörer. Er entschied sich dann gegen kurz nach 11 Uhr noch mal einen Snack zu sich zu nehmen. Es hörte sich gefühlt so an als würde er eine ganze Torte mit einmal verschlingen und vergessen dabei zu atmen. Robert und ich versuchten uns das Lachen auf unseren Betten zu verkneifen. Und nachdem er noch luftringend über 2 min die Steckdose an der Wand gesucht hatte, konnten wir uns nicht mehr halten. Am nächsten Morgen, pünktlich um 6 Uhr, weckte uns der DVD-Player-Pilger mit enormen Krach, als er sein ganzes Equipment im Dunkeln in seinen riesengroßen Rucksack zu packen versuchte. Dabei, mit Stirnlampe bewaffnet, mehr auf den Boden warf als in den Rucksack. That’s the Pilger Life würde ich sagen.

Nach einem kleinen Frühstück starteten wir im Dunkeln auf die letzten 30 km nach Finisterra. Es ging wieder viel bergauf und bergab bis wir dann in Cee das erste mal wieder den Blick auf das Meer und das Kap von Finisterra werfen konnten. So ging es dann erstmal wieder auf Meereshöhe, um dann gleich wieder steil bergauf zu fahren. Kurz vor Finisterra stoppten wir noch an einem wunderschönen Strand und genossen die ganze Szenerie mit Blick auf das Kap.

In Finisterra angekommen, gingen wir in unsere Herberge bei einer netten Ungarin. Danach ging es zu Fuß an das Kap in Finisterra. Früher galt dieses Kap als westlichster Punkt der alten Welt. Bevor Kolumbus Amerika entdeckte, dachten die Menschen dort sei Schluss. Viele Pilger nehmen nach Beendigung des Jakobswegs noch den Weg nach Finisterra auf sich, um der ganzen Pilgerreise einen krönenden Abschluss zu geben. 

Und hier war ziemlich viel Betrieb. Zum einen weil Feiertag in Spanien war, nämlich Tag des Kolumbus, und zum anderen weil viele Pilger vor Ort waren. Nachdem wir die Aussicht genossen haben, ging es wieder zurück und wir machten uns auf zu einem Strand auf der Westseite des Kaps, um dort den Sonnenuntergang zu bestaunen. Da wir noch nicht im Meer waren, haben wir das dabei gleich mal nachgeholt und was soll man sagen, es war frisch, doch hat jede Menge Spaß gemacht. 

Nach einem entspannten Abendessen, ging es zurück in die Herberge. Wir teilten uns mit einem Georgier, der in Deutschland lebt und einer Frau das Zimmer. Der Georgier hatte 60 km an einem Tag zurückgelegt, als er in Finisterra angekommen ist. Demnach war er ziemlich fertig. Er lag noch keine zwei Minuten in seiner Koje und schlief und schnarchte mit beängstigenden Atemaussetzern drauf los. Endlich wird mal wieder geschnarcht.

Am nächsten Tag sollte es mit dem Bus und den Bikes zurück nach Santiago gehen. Hier wartete schon die nächste Überraschung. Damit die Räder transportiert werden dürfen, müssen sie in Folie eingepackt sein. Völliger Blödsinn aber was will man machen. Also ging es in den einzigen Baumarkt der Stadt, wo ich Folie gekauft habe, mit der wir vor allem die Räder umwickeln sollten. So haben wir das eben widerwillig gemacht, mit viel Gelächter und Belustigung der unzähligen Pilger um uns herum. 

In Santiago haben wir die Bikes dann unbeschadet abgegeben. Nachdem wir unsere Einzelzimmer in unserer Herberge bezogen, ging es nochmal in die Stadt und wir schauten uns die riesengroße Kathedrale von Innen an. Eine bemerkenswerte Kathedrale von gewaltiger Größe und Prunk, im Inneren mit dem heiligen Jakobus auf einem silbernen Thron. Die Kathedrale ist schon über 900 Jahre alt und es ist einfach Wahnsinn, wenn man sich vorstellt wie genau, groß und aufwendig das Ganze gebaut ist. Im Inneren der Kathedrale waren unglaublich viele Besucher, da durch das heilige Jahr des Jakobus die Öffnung der Kathedrale verlängert wurde. 

Nach einem weiteren Stadtbummel ließen wir unsere Pilgerreise bei einem leckeren Abendessen ausklingen. Wir machten uns am nächsten Tag mit dem Bus Richtung Airport und traten unseren Heimflug an.

Ich bin froh mit meinem besten Kumpel Robert diese Tour gemacht zu haben. Wir haben unendlich viele witzige Momente gehabt, viel gelacht und viele Dinge besprochen, die uns bewegen. Die Zeit am Meer in Portugal und am Kap in Finisterra war für mich besonders reizvoll und schön. Es war toll für mich Portugal und Spanien zu entdecken. Länder, welche ich selbst noch nicht besucht habe und so dort in das Leben eintauchen konnte. Ich bin sehr begeistert von mir, dass ich knappe 255 km in 7 Tagen gelaufen bin, auch wenn es immer mal gezwickt hat, ging es super gut. Besonders erfreut bin ich auch darüber das wir mit unseren wenigen Sachen sehr gut zurecht gekommen sind. Wir ernteten viel Bewunderung für unsere minimale Ausstattung von 3 kg. Manche hatten ja Rucksäcke mit bis zu 15kg dabei.

Doch ich glaube, das wird nicht meine bevorzugte Art zu reisen.Da ich so einfach zu wenig Kilometer an einem Tag zurückgelegen kann und es für mich gefühlt zu langsam ist. Auch das Pilgern an sich ist mit Sicherheit für viele eine tolle Möglichkeiten, mit sich und anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Ich für meinen Teil fand es ein wenig zu touristisch und überlaufen dadurch das man ja den ausgeschrieben Jakobsweg folgt. Ich hätte mir gefühlt in den Herbergen mehr Pilgerfeeling gewünscht, wo die Leute mehr in Kontakt miteinander kommen und nicht jeder sein Süppchen kocht. Wir haben das z.B. in der Herberge in Portella erlebt, wo wir zusammen gegessen und den Abend verbracht haben. Dennoch möchte ich diese Erfahrung nicht missen vor allem das ganze mit Robert gemacht zu haben. See you soon !

Schlaflos durch die Nacht

Nach der Nacht in der Herberge in Redondella freute man sich schon fast wieder auf das heimische Bett. Da wir alle in einer Art großen Halle schliefen konnte man so auch alles und jeden hören. Die Schlafkabinen waren sehr schick gemacht keine Frage. Doch als frühs um kurz nach 5 schon die ersten anfingen ihre Sachen zu packen, andere immer noch dermaßen laut schnarchen das man sich fragt wie man überhaupt schlafen konnte und manche Wecker frühs um 6 einfach 30min lang klingeln ohne Pause freut man sich wahrlich auf zu Hause. Vielleicht fühlt sich der Alltag deswegen für die meisten nach dem Jakobsweg immer so leicht an weil sie dann mal wirklich zu schätzen lernen in welchem Schlaraffenland Sie täglich aufwachen.

Nach dem wir noch im Dunkeln gegen 8 Uhr gestartet sind, war ziemlich wenig los wie immer. Wir liefen dann aus der Stadt raus und passierten viele kleine Orte und als es heller wurde kamen auch immer mehr Pilger zum Vorschein. Wir hatten wieder einen ganz schönen Schritt drauf aber irgendwie unbeabsichtigt und zogen so an unzähligen Pilgern vorbei. Am Weg gab es nun auch überall kleine Stände die alles mögliche was mit Jakobsweg zu tun hat verkaufen.

Nach dem wir recht zeitig aufgrund unseres Tempos in der Stadt Pondevedra ankamen machten wir hier Mittag. Weshalb wir so schnell Laufen, können wir uns auch nicht erklären doch da mein Sprunggelenk schmerzte und leicht angeschwollen war sollte es jetzt ein bisschen langsamer voran gehen. Wir hatten jetzt noch ca. 10km bis in unsere Herberge die Robert ausgesucht hatte. Wie immer ohne Reservierung. Trotz das wir langsamer waren überholten wir immer noch ziemlich viele. Laut Robert’s Reiseführer gibt es dort nur eine geringe Anzahl an Betten und im näheren Umkreis von 10km keine weitere Unterkunft. So waren wir uns unsicher was wenn wir ankommen und es ist schon alles voll. Als wir kurz nach 15 Uhr ankamen war ein Gast da und wir durften uns noch zwei Betten schnappen der Rest war anscheinend schon reserviert. Diese Herberge ist definitiv anders zu denen wo wir vorher waren. Hier wurde Wert auf einige traditionelle Dinge gelegt. Es wird zusammen der Tisch gedeckt, gegessen und aufgewaschen. Ganz so wie es in ursprünglichen Herbergen zu ging. Es war ein bunter mix aus Nationalitäten in dieser Alternativen Herberge von Deutschland, Ungarn, Italien, USA und Rumänien. Die Herberge wird von Pedro geleitet der ein wenig wir Jesus aussieht und Jorge der jeden Tag das Abendessen kocht und dem die Herberge gehört. In der Herberge sind alle Wände vollgeschrieben mit Botschaften von Menschen aus aller Welt die hier übernachteten. Da gibts viel zu entdecken. Wir hatten zusammen einen tollen Abend mit interessanten Gesprächen. Ich unterhielt mich lange mit Russel, 49 aus den USA über Spiritualität und in welch grandioser Zeit wir Leben wo so vieles möglich ist und das wir Menschen uns nur selbst im Weg stehen. Mit dem Mindset eines Amerikaners lässt es sich ganz anders über diese Dinge sprechen und ich merkte sofort diese „think big“ Mentalität. Robert hat sich lange mit Manuel aus Portugal unterhalten der den Jakobsweg bereits zum 18ten Mal läuft. Den Portugiesischen ist er bereits 8 mal gelaufen. Hier gab’s viel Experten Wissen aufzusaugen.

Nach einem schönen Abend ging es gegen 22:30 Uhr ins Bett. Hier ging es dann los das einige sehr gut schliefen und andere gefühlt überhaupt nicht. Die die gut schliefen waren vor allem die Schnarcher im Schlafsaal. Davon gab es 3 Stück in unterschiedlicher Tonlage von tief bis hoch war alles dabei. Einige verließen aufgrund dessen die Herberge bereits vor um 6 frühs und man bedenke es wird erst gegen kurz nach 8 hell. Ich war ziemlich gerädert nach der Nacht und Robert gab nur zu Protokoll das er sehr gut geschlafen habe : )

Leicht zerknirscht machten wir uns nach kurzer Verabschiedung auf den Weg. Der Sonntag machte seinem Namen alle Ehre mit sehr bedeckten Himmel und kalten Temperaturen. Doch es blieb zum Glück noch trocken. Unser nächstes Ziel war Padron was wir diesmal mit langsameren Tempo angingen. Nach dem wir unsere Herberge erreichten durften wir gleich wieder weiter da diese schon ausgebucht war. Auf der anderen Straßenseite gab es gleich die nächste wo wir ein tolles Plätzchen fanden. Mein Sprunggelenk war jetzt auch schon deutlich besser. So haben wir jetzt noch eine Tagesetappe bis Santiago vor uns. Wir trafen in der Herberge noch Andy aus Freiburg vom Abend zuvor mit dem wir uns auf Abendessen suche begaben. Was anfangs gar nicht so einfach war. Als wir dann etwas gefunden haben waren wir mit Deutscher pünktlich natürlich zu früh dran. Essen gibts in den Restaurants in Spanien erst ab 20 Uhr. Also warteten wir und werteten den Tag aus. Nach einem ausgiebigen Abendessen ging es zurück in die Herberge. Draußen wurde aus dem bedeckten Himmel Regen, der uns auch den ganzen Nächsten Tag nach Santiago begleiten sollte.

Um 8 Uhr morgens starteten wir im Dunkeln schon im Regen auf unseren Weg nach Santiago. Hatten wir am Tag zuvor wenig Pilger gesehen so war es heute die reinste Pilger Autobahn schon im Dunkeln. Alle Pilger mit Regenponcho ausgestattet sah es von weitem fast so aus ob alle ABC Schutzanzüge anhatten und wir uns direkt im Krisengebiet befanden. Ich probierte es auch kurz mit Regen Jacke doch da es aufgrund unseres Tempos doch recht warm wurde ging es ohne Regenschutz in die Schlacht. In einer Bäckerei holte ich mir 4 Donuts und ein Croissant 8€ dafür waren ziemlich happig doch ich hatte Hunger. Die Preise vor Santiago ziehen an, also seid auf der Hut. Die Strecke nach Santiago hatte jetzt ehrlich gesagt keine Highlights für mich parat außer massen an Pilgern. Nach einer kurzen Mittagspause hatten wir noch ca. 6km bis zur Kirche in Santiago de Compostella. Da angekommen ging es direkt zur Austellung der Compostella Urkunde mit Online Anmeldung ging das ganze sogar ziemlich zügig. Hier wird einem per Urkunde dokumentiert wie viel und von wo man gestartet ist. Für viele ist das ja ein Muss. Wir sind ja nicht unbedingt in der Nebensaison unterwegs und waren auch recht früh dran, möchte mir gar nicht ausmalen was hier in der Hauptsaison los ist.

Wir sind nun in 7 Tagen ca. 255km gelaufen worüber ich enorm stolz bin. Man merkt dabei erstmal was gewisse Distanzen bedeuten die wir heut zu Tage z.b mal schnell mit dem Auto zurücklegen. Das obligatorisches Foto vor der Kathedrale haben wir natürlich auch gemacht und dann ging es zur unserer Herberge dem Seminario Menor einem alten Knaben Internat. Hier trafen wir Andy von gestern wieder mit dem wir uns zum Abendessen verabredeten und so unsere Ankunft in Santiago in einer exklusiven Tapas Bar ausklingen liesen.

Am Dienstag den 11.10.22 machen wir uns dann auf den Weg ins 90km entfernte Finistere zum Ende der Welt. Was es damit so auf sich hat und ob wir wieder heimgefunden haben erfahrt ihr dann im nächsten Beitrag.

Vamos ala playa

Von Viano do Castello ging es für uns immer am Meer entlang. Wir folgten dabei nicht dem ursprünglichen Jakobsweg und hatten so ein wenig Ruhe vor den ganzen Pilgern. Der eigentliche Weg sollte viel durch Ortschaften gehen und wenig durch die Natur. Wir liefen den ganzen Tag immer am Meer entlang, anfangs auf gut ausgebauten Radwegen, mit sehr wenig Publikumsverkehr. Das Wetter war wie bisher immer top und wir hatten strahlend blauen Himmel mit spitzen Temperaturen um die 25 Grad Celsius. Wir verließen dann immer mehr die öffentlichen Wege und suchten nach naturbelassenen Wegen entlang des Strandes und wurden mehr als fündig. Verwinkelte Wege durch hohes Gras, unberührte Strände und Felsformationen waren wunderschön anzusehen und die Etappe war für uns bisher das Highlight.

Ich, als Wander-Neuling, hatte ja gleich am Anfang mein Blasen-Problem. Jetzt fing es langsam an in der Hüfte zu ziehen. Man muss natürlich sagen, ich habe mich auf das Laufen auch nicht wirklich vorbereitet. Das ziehen wurde nicht besser und auch nicht schlechter und es ging weiter. In Ancora machten wir ausgiebig Mittag, stärkten uns erstmal ordentlich und gönnten unseren Beinen und Füßen eine Pause. Die Pause tat gut und es lief sich gleich wieder ein wenig flotter. Für uns ging es damit erstmal weg vom Meer und entlang des Rio Minho weiter ins Landesinnere durch Caminha nach Seixas, wo wir in einer großen Alberge/Herberge einen Platz zum Schlafen fanden. Mit uns auf dem Zimmer war ein Amerikaner, der bereits den französischen Jakobsweg gelaufen ist und jetzt noch gleich im Anschluss den portugiesischen läuft. Er wirkte sehr erschöpft und sagte er habe keine Lust mehr auf Laufen und ist seit zwei Monaten unterwegs. Bei manchen Menschen hat man hier das Gefühl, sie wollen leiden und schleppen sich so dahin. Klar, für manche Menschen ist das Sinn und Zweck der Reise, doch muss man sich so quälen? Leiden, um Vergebung zu erfahren, passt nicht wirklich in mein Konzept, dennoch lebt jeder Mensch bewusst oder unbewusst seine Wahrheit und seine Art für das Konzept ‚Leben‘ im Kopf.

Nachdem wir am nächsten morgen ordentlich ausgeschlafen haben ging es für uns weiter. Diesmal sollte ein kompletter Tag auf einem Radweg auf dem Programm stehen. Für uns ging es entlang des Rio Minho ins Landesinnere nach Tui. Es ging durch idyllische Gegenden, mit wenig Pilgern, immer entlang des Flusses. Der Fluss bildet die Grenze zwischen Portugal und Spanien und in Valenca überquerten wir den Rio Minho und landeten in Tui Spanien. Hier gab es gleich das obligatorische Foto vor dem Spanien-Schild und wir übten gleich die neuen Begrüßungsflosskeln für die spanische Bevölkerung ein. Wehe, wenn Sie losgelassen. So ging es zur ersten Herberge, die aufgrund von Reservierungen komplett ausgebucht war. Man munkelt, dass unsere Deutschen Mitbürger die Finger im Spiel hatten und auf Nummer sicher gehen wollten und per Telefon alles am Morgen reservierten. Sie können es eben einfach nicht lassen. Naja, jeder macht es eben so, wie er es für richtig hält. Dann ging es für uns in die nächste Herberge, wo wir von einem netten Holländischen Gast mit gutem Deutschkenntnissen die Tür geöffnet bekamen. Die Besitzer kamen kurze Zeit später und nach dem Stempel im Pilgerpass hatten wir unser Bett für 12€ fix. Die Herberge hatte einen tollen Garten, ausreichend Duschen und wahr sehr ordentlich. Robert und ich schliefen im 8 Bett Zimmer mit 2 weiteren Herren, die doch ein wenig viel Krach machten. Der eine schnarchte und der andere drehte sich gefühlt alle 5 Minuten lautstark um. So ist das eben manchmal, allerdings habe ich schon deutlich schlimmere Übernachtungen erlebt.

Nach einer kurzen Nacht ging es früh raus und ich sammelte meine gewaschenen Sachen von der Leine. Das mache ich übrigens jeden Tag so, da spare ich mir viele extra Klamotten. Wir starteten gegen 8 Uhr noch im halb dunkeln und gefühlt ist im Ort Tui nix los. Ist eben ein anderes Leben als bei uns, da wo ab frühs um halb 6 alle an die Arbeit rasen, dreht sich hier um 8 irgendwie noch kein Rad. Ebenso die Siesta (Mittagspause) in Spanien geht von um 13 – 16 Uhr, da haben viele Geschäfte einfach zu. Stell sich das doch einer bei uns vor, Ausnahmezustand!

Weiter ging es durch wunderschöne Landschaft und Natur. Wir gingen eine Extra Schleife, um den originalen Weg, der durch ein Industriegebiet geht, zu umgehen. Dieser war ca. 1 km länger und deutlich schöner. Wir passierten den 100 km Stein, 100 km noch bis nach Santiago de Compostella. Wir sind jetzt schon knapp 165 km in 5 Tagen gelaufen. Da wir kurz vor Santiago sind, werden es jetzt auch immer mehr Pilger, die sich auf den Weg machen. Und das sieht dann häufig aus wie großer Wandertag. Wir überholten wieder sehr viele Leute mit ihren extrem großen Rucksäcken und haben uns mit dem ein oder anderen auch ein wenig ausgetauscht. Wir trafen einen Vater mit seinem 10-jährigen Sohn, die mit gutem Tempo mit uns mithielten. Der Jakobsweg war das Geschenk des Jungen für seine Kommunion. Anstatt Fahrrad, Handy etc. gab es eine Reise und Zeit mit seinem Vater. Eine tolle Idee, wie ich finde. Denn Geld oder materielle Dinge kommen und gehen, doch vergangene Zeit kann nie wieder nachgeholt werden. Also, liebe Leser, tut jetzt die Dinge, die ihr immer schon gerne machen wolltet. Denn häufig wird aus später nie.

Nach einigen Höhenmetern, die wir heute hochgelaufen sind, ging es dann kurz vor unserem Zielort Redondella 200 hm steil bergab auf Meereshöhe. Die Stadt liegt an einem Seitenarm des Atlantischen Ozeans. Hier haben wir eine tolle Herberge gefunden, sehr sauber und aufgeräumt. Wie es die nächsten Tage bis nach Santiago weiter geht, gibt es im nächsten Beitrag!

Der Jakobsweg ruft !

Mein Kumpel Robert fragte mich spontan und kurzfristig, ob ich mit ihm den Portugiesischen Jakobsweg laufen möchte. Mein früherers ich hätte wie immer abgelehnt, bereite ich doch gerade alles für meine Selbstständigkeit vor und darf mir dabei doch keine Pause gönnen. Doch wer ständig nur aufs Ziel fixiert ist, verliert manchmal das Wesentliche aus den Augen: leben! Ein Ausspruch von Albert Einstein sagt sinngemäß, dass, wenn du immer wieder das Gleiche tust, du auch immer wieder die gleichen Ergebnisse bekommen wirst. Und da ich jetzt gerade andere Ergebnisse möchte, darf ich auch andere Dinge tun, vor allem Dinge, die mir Freude bereiten. Denn wenn wir relaxed und glücklich sind, treffen wir bessere Entscheidungen für unser Leben, da stimmt mir bestimmt jeder zu.

So ging es am 2. Oktober, mittags um 12 Uhr, für uns im strömenden Regen mit dem Auto Richtung Flughafen, Frankfurt. Doch nicht zum Fraport, sondern zum Flughafen Frankfurt/Hahn. Von hier startete unser Billigflieger von RyanAir Richtung Porto in Portugal, der seinem Namen alle Ehre machte. Ideal, um sich schon mal auf den Pilgermodus einzuschwingen. Weniger ist mehr also! Daher suchte ich mir Zuhause den kleinsten Rucksack, den ich finden konnte und beschränkte mich auf das Nötigste. Mit ca. 3 kg Gepäck war ich sehr zufrieden. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, so wie ich einen typischen Pilger im Kopf habe, mit riesen Rucksack und hochalpinen Wanderstiefeln das ganze Unterfangen in Angriff zu nehmen. Ein wenig skeptisch bin ich schon, was mich hier erwartet, da es für mich Neuland ist und ich laufen bisher vermieden habe, weil es gefühlt zu langsam war, um voran zu kommen. Zum anderen klang Jakobsweg laufen immer sehr touristisch für mich. Doch wir werden sehen, wie es sich dann in der Realität darstellt.

Nachdem wir in Porto gegen 19:30 Uhr gelandet sind, entschieden Robert und ich uns Porto auszulassen und gleich zu starten. So ging es 7 km bis zur nächsten Pilger Herberge, oder Alberge, wie man das hier nennt. Am Ende war es ein Campingplatz mit Bungalow für uns, absolut ausreichend.

Am nächsten morgen ging es gleich nach dem Frühstück mit straffen Schritt voran. Wir überholten unzählige Pilger mit riesigen Rucksäcken. Der Weg führte spektakulär immer am Meer entlang auf wunderschönen Holzstegen. Ein tolles Ambiente mit dem Meer und der tosenden Brandung. Wir hatten bestes Wetter mit viel Sonnenschein und sehr angenehmen Temperaturen.

Nach 1,5 h machte sich schon ein kleines Zwicken im Schuh bemerkbar und so hatte ich schon die erste kleine Blase. Nachdem wir in der nächsten Apotheke waren, gab’s Blasenpflaster und es ging wieder unbeschwert weiter. Die Muskulatur machte sich auch schon leicht bemerkbar, das hatte ich schon erwartet. Bei Robert als erfahrenen Pilger gab’s keine Probleme. Er ist zum dritten Mal auf dem Jakobsweg unterwegs und hat jede Menge Erfahrung.

Nach dem Mittag ging es mit meiner Muskulatur wieder aufwärts und wir zogen weiter an unzähligen Pilgern vorbei bis wir nach 30 km dann in Aquilla uns eine Alberge suchten und den ersten Tag beendeten. Ich bin in meinem Leben noch nie so weit an einem Tag gelaufen und bin happy mit dem Ergebnis. Meine Blasenpflaster haben gute Dienste geleistet und ich konnte ohne Beschwerden gut laufen. Robert und ich besuchten abends noch den Strand, um uns den Sonnenuntergang anzuschauen. Der war allerdings semi spektakulär, da es sehr diesig war, dennoch war es ein tolles Feeling am Meer. Wenn man sich vor Augen hält, dass da erstmal eine ganze Menge Wasser kommt, ehe man den Amerikanischen Kontinent erreicht, ist das schon krass. Nach dem Strand ging es dann zum Abendessen in ein Restaurant, welches ein Pilgermenu anbietet, was mit 9€ sehr reichlich war. Eine tolle Idee, finde ich und Getränke sind inklusive.

Nach einer angenehmen Nacht ging es von Aquilla gegen 8:00 Uhr im Morgendunst weiter. Diesmal mit deutlich mehr Natur und weniger Strand. Wir zogen wieder mit gutem Tempo los und hatten gegen halb 11 schon knapp 20 km geschafft, was mich sehr erstaunte. Wir liefen dann durch viele Ortschaften und versuchten in einigen Kirchen uns einen Stempel für unsere Credential zu holen. Nur war meist keiner da und so ging es weiter bis wir in einer kleinen Kirche das Ganze selbst in die Hand nahmen. Ein Stempel war da und nach einer kleinen Bastelstunde mit Stempel auseinander bauen hatten wir den Stempel in unserem Mäppchen. Robert erklärte mir, um die Compostella (Urkunde für die erfolgreiche Absolvierung des Jakobswegs) zu bekommen, braucht man mindestens jeden Tag einen Stempel, besser sind zwei um nachweisen zu können das man auch gelaufen ist und kein Herbergen-Hopping mit dem Bus gemacht hat. Soll es anscheinend geben, doch geht es um den Weg und viel weniger um das Ziel. Das Thema kennen wir aber schon.

Nachdem wir knapp 4 h ohne Pause durchgelaufen sind, hielten wir kurz vor Viano do Castello an, um zu checken, welche Herberge wir ansteuern sollen. Mit ein wenig zähen Beinen, ging es dann an die letzten 5 km, über eine ewig lange Brücke, in die Stadt rein. Dort sahen wir schon die Pilger an einer kirchlichen Herberge anstehen. Wir nix wie hin und nach kurzer Wartezeit konnten wir uns einen begehrten Platz ergattern, da es nur begrenzte Anzahl an Betten gibt. Mit 3 älteren Französischen Damen, die viel Redebedarf haben, wird das bestimmt noch lustig.

Wir haben heute knapp 33 km absolviert und ich bin erstaunt wie gut das Laufen klappt. Ein großer Vorteil von Robert und mir ist, dass wir sehr wenig Gepäck dabei haben, im Vergleich zu anderen Pilgern, die große Wanderrucksäcke mitführen.

Nach ein wenig Ruhepause haben wir noch eingekauft und uns dann in ein Restaurant mit Pilgermenu begeben. Dort trafen wir unzählige Deutsche, was auch sonst 🙂 Wir haben dort mit 4 Abiturienten aus dem Raum Köln zusammen gesessen und hatten einen unerwartet witzigen Abend. Danach ging es für uns noch an den Hafen, wo wir den Abend ausklingen ließen.

Wartburgradio Interview

Ich wurde von Franziska Klemm vom Wartburgradio, die meine Reise auf Instagram (https://www.instagram.com/frankrassbach/?hl=de) verfolgte zu einem Radio Interview eingeladen welches ich euch hier nicht vorenthalten will. Ich konnte hier ein wenig Einblick in meine Reise geben und hatte einen interessanten Austausch mit Franziska über das Radreisen, was ich alles in Kirgistan erlebt habe und wo es bei mir in Zukunft so ansteht.

Bei Franziska im Studio !

Ich habe euch hier mal die Links zum Interview reingepackt. Falls der Link nicht mehr funktioniert gibt es noch mal einen Link zu Franziskas Spotify Account wo man sich das ganze Interview nochmal anhören kann.

Hier der Link zum Beitrag:

https://www.wartburgradio.org/mit-dem-rad-durch-kirgistan/

Ihr findet den Beitrag unter dem Titel: Mit d. Rad d. Kirgisistan

Und hier noch mal der Link zu dem Spotify Podcast

open.spotify.com/episode/7zLyVP663VRU5hFi5w08QP

Zahlen Daten Fakten Kirgisistan 2022

Ich möchte euch hier in diesem Beitrag gerne noch ein paar Zahlen, Daten und Fakten präsentieren, die ich während der Reise gesammelt und dokumentiert habe. Das gibt nochmal einen anderen Einblick in die Reise und man kann so den Trip nochmal ganz anders nachvollziehen und auswerten. Dann legen wir mal los !!!

On the Road

Tage Insgesamt: 38

Fahrtage: 21

Kiliometer: 1.761 km

Höhenmeter: 18.410 hm

Höchster Punkt: Kegety Pass 3.780m üNN

Tiefster Punkt: Vom Airport nach Bishkek 630 m üNN

Längste Distanz: 150 km (Sussamyr Tal – Toktugul Stausee)

Kürzeste Distanz: 53,8 km (Aufgrund Magen-Darm-Infekt)

Höchste Durchschnitts-Geschwindigkeit: 30,2 km/h Balykchy – Tokmok 112 km

Niedrigste Durchschnitts-Geschwindigkeit: 5,6 km/h, letzten 20 km Kegety Pass

Top Speed: 82 km/h Abfahrt Ala Bel Pass

Übernachtung

Zelt: 13

Hostel: 15

Guesthouse (Frühstück & Abendbrot): 5

Hotel: 3

Eingeladen: 2 Nächte

Kosten

Übernachtung: 272 € 

Essen: 254 €

Transport: 47,50 €

Sonstiges: 18,50€

Gesamt: 585 €

Flug mit Radmitnahme: bei Turkish Airlines ca. 1000€

Defekte

Hier kann ich nix berichten. Ich hatte keinen Platten, keine Defekte am Rad oder an der Ausrüstung. Ich habe nix verloren und konnte alles wieder unbeschädigt mit nach Hause nehmen.

Fakten

Besonders Positive Momente

Das waren zum einen die vielen, tollen und inspirierenden Menschen, die ich getroffen habe. Das begann mit Gabi, 64 Jahre, und Walter, 74 Jahre, aus Mönchengladbach, die mir eindrucksvoll bewiesen, was im Alter mit Wille und Entschlossenheit möglich ist. Sie hatten einige tolle, inspirierende Geschichten auf Lager und machten mir wieder einmal klar, dass man sich selbst nur im Weg steht, wenn man seine Träume nicht erreicht und man soll das, was man tun möchte, nicht auf später verschieben. Leben ist jetzt und nicht erst, wenn man Rentner ist.

Zum anderen war es die Begegnung mit vielen Einheimischen entlang der Straße, die mir immer freundlich grüßten, helfen wollten und immer sehr interessiert an mir waren. Etwas, was ich bereits jetzt in Deutschland vermisse, ist, dass man sein Gegenüber sieht und wahrnimmt, anstatt bedeutungslos nebeneinander her zu leben und ihm kein Lächeln zu schenken. Der Hirte Bacha, der mich vor potentiellen Wölfen beschützen wollte, zeigte mir Kirgisische Gastfreundschaft und wie sich das Leben als Hirte mit seinen Ziegen so gestaltet.

Dann war da noch Shamurat, der die Pamir Extreme Mountain Lodge in Sary Tash betreibt, wo ich 2 Tage verbrachte und dort mit mir in sehr gutem Englisch Rede und Antwort stand. Er hat eine tolle Vision und ein wunderschönes Guesthouse mit einem grandiosen Ausblick, welches sich mit Sicherheit das ein oder andere Hotel in Europa wünschen würde.

Und ich erlebte die abenteuerlichste Busfahrt meines Lebens von Ost zurück nach Bishkek. 14h Fahrt durch Kirgisistan bei Nacht. Hatte ich bei der Fahrt teilweise Angst wegen der irren Fahrweise, möchte ich das Ganze nicht missen wegen der vielen lustigen und erheiternden Momente mit den Menschen. Wer dazu mehr lesen möchte, kann das im Blogebeitrag „Bus Racing Kirgisistan“ tun.

Zurück in Bishkek traf ich im Tunduk Hostel viele Radfahrer und andere Reisende, was immer wieder spannend ist, weil man hier immer tolle infos bekommt über Routen und interessante Plätze. Im Tunduk Hostel traf ich auch Ahmad, der mir mit seiner Geschichte von der Flucht aus dem Iran 2009 eine bemerkenswerte Story voller Mut und Entschlossenheit erzählte und was es heißt auf seine innere Stimme zu erhöhen. Auch nicht vergessen will ich die Familie, die mich nach dem Kegety Pass und Gewitter nachts bei sich aufnahm, sodass ich im Trockenen übernachten konnte. Erst kampierte ich auf ihrem Grundstück ohne zu fragen und später wurde ich dann noch zum Übernachten eingeladen. In Deutschland hätte manch ein Mitbürger bei ersterem schon mit Anzeige gedroht und das Schlimmste erwartet. Eine tolle Begegnung hatte ich noch zum Ende meiner Tour als ich Thomas aus der Schweiz traf, mit dem ich die letzten beiden Tage nach Bishkek zurück geradelt bin. Wir haben uns super verstanden und konnte uns sehr gut austauschen.

Was wir natürlich nicht vergessen dürfen, ist die Landschaft in Kirgisistan, die mich auch nach dem zweiten Besuch immer wieder umgehauen hat. Die hohen, schneebedeckten Berge, die sanfte Graslandschaft, die häufig aussieht wie gemalt und teils schroffe Felsformationen, sowie die oftmals weite und offene Landschaft, laden zum Träumen und Verweilen ein. Unser Planet ist wunderschön. Highlights waren für mich hier der Ort Sary Tash, Tulpar Kol See am Pik Lenin, Kegety Pass und der Yssy Köl See.

Hier noch ein Paar Foto Highlights

Herausfordernde Momente

Natürlich gab es auch Situationen, die mich herausgefordert haben. Das war zum einen der häufig extrem auftretende Gegenwind, der mich manchmal mit nur 5 km/h vorankommen ließ. Das war für mich gerade am Anfang schwer zu akzeptieren, da ich ja geplant hatte zu einer gewissen Zeit an einem Ort zu sein. Ganz nach dem Zitat von John Lennon: „Leben ist das, was passiert, während Du dabei bist andere Pläne zu machen“.

Außerdem gesundheitliche Probleme, wie meine Magen-Darm-Infekt am Anfang der Tour. Sowas wünscht sich natürlich keiner. Manchmal ist sowas in Ländern wie Kirgisistan nicht immer vermeidbar, wenn man gerade viel mit Einheimischen in Kontakt ist. Das war es dann aber auch schon was mir an negativen Dingen bewusst einfällt.

Was habe ich gelernt!

Die Reise sollte für mich ein Reflektieren und nach-Innen-gehen sein. Durch das viele Alleinsein hatte ich dazu auch ausreichend Gelegenheit und habe mir viele Dinge durch den Kopf gehen lassen und notiert. Ich habe viele Impulse bekommen in der Stille mit mir selbst, was sich für mich richtig anfühlt und was nicht. Dazu gehört für mich immer genau zu wissen, was will ich in meinen Leben haben will und was ich nicht haben will, sodass ich ein hohes Maß an Klarheit habe, wie mein Leben für mich sein soll.

Durch das reale Erleben anderer Kulturen kann man für sich persönlich natürlich Vergleiche mit seinem alltäglichen Leben zuhause ziehen. Durch die anderen Lebensumstände in Kirgisistan konnte ich für mich erleben in welch einem Luxus wir in Deutschland leben. Das Leben dort in Kirgisistan ist in manchen Regionen deutlich rauer als das, was wir kennen. Einige Nomaden-Familien leben weit weg von öffentlichen Einrichtungen oder Einkaufsmöglichkeiten, einfach nur im Einklang mit der Natur und ihren Nutztieren. Den Großteil an Nahrungsmitteln etc., den sie benötigen, erzeugen sie selbst. Die Menschen an diesen Orten empfangen einen häufig extrem freundlich und strahlen für mich eine immens große Lebensfreude und Zufriedenheit aus, was ich manchmal bei uns in Deutschland vermisse. Wo wir doch alles haben und im Überfluss leben. Doch habe ich persönlich das Gefühl, dass es bei einigen darum geht: mehr ist besser und deswegen können sie gar nicht mit ihrem jetzigen Leben zufrieden sein, weil ja immer noch mehr geht. Die Frage „Wie viel ist genug“, ging mir dabei oft durch den Kopf und mir wurde für klar, dass ich eigentlich alles habe, was ich brauche. Ich müsste eher sogar wieder mehr Dinge loslassen. In diesem Sinne: „Wie viel ist für euch genug“?

Wenn ihr weitere Fragen zu Details der Reise habt oder euch noch Fragen unter den Nägeln brennen, schreibt mir einen Kommentar oder eine Nachricht über das Kontaktformular!

Und da eine große Nachfrage besteht wird es zeitnah einen Reisevortrag darüber geben !!! Gebe ich dann noch rechtzeitig auf allen Kanälen Bescheid.

Kegety Pass und Finish

Wie im letzten Beitrag geschrieben, wollte ich eine weitere Etappe des brutalen Silk Road Mountain Race fahren, bis zum Song Kul See über den Kegety Pass und weiter zum zweit-größten Binnensee der Welt, dem Yssy Köl See.

So startete ich früh in Bishkek Richtung Kegety Pass. Es sollten ca. 105 km und über 3000 hm bis zum Pass auf 3780 m überwunden werden. Ich fuhr über kleine und ruhige Straßen aus Bishkek Richtung Südosten. Nach und nach wurde der Verkehr wieder mehr und die Straßen deutlich schlechter. Als ich ein Bild von einem Panzer, der an Straße stand machte, sprachen mich zwei ältere Herren an, wo ich denn hin wöllte. Ich sagte Richtung Kegety. Sie waren in die selbe Richtung unterwegs und ich sollte jetzt unbedingt mitfahren. Ich überlegte nicht lange und so luden wir das Fahrrad auf ihren Mercedes LKW, was auch sonst, jeder fährt hier Mercedes. So polterten wir über unglaublich schlechte Straßen, hielten erneut an, um noch jemanden mitzunehmen und dann zu viert im LKW zu sitzen. Nach rund 25 km und dem ersten Pass, signalisierten mir die Männer, dass ich jetzt raus muss, weil sie abbiegen müssen. Alles wieder abgeladen, ging es für mich erstmal bergab. In einem Magazin kaufte ich mir gefrorene Pelmeni und machte mir in der Wildnis erstmal Mittag. Diesmal wollte ich mich ein wenig fernhalten von den Restaurants und meinen Magen schonen, da die nächsten Tage extrem anstrengend werden sollten. Nachdem ich gut gestärkt war, ging es weiter Richtung Pass-Anfang. Im Hostel hatte ich gehört, dass die nächste Zeit das Wetter schlecht werden sollte, hab dem Ganzen aber keine große Beachtung geschenkt. Als ich in Bishkek startete, war noch Sonnenschein. Als ich den Ort Kegety passierte und es so langsam bergauf ging, zogen schon Gewitter Wolken heran und kurze Zeit später blitzte und donnerte es heftig mit zusätzlich starkem Regen. Dann suchte ich mir erstmal einen kleinen Unterstand. Da kamen mir die ersten Gedanken, ob das jetzt eine gute Idee bei so einem Wetter war in die Berge zu fahren, war es doch auch plötzlich ziemlich kalt und sah auch nicht nach Besserung aus. Irgendwann hört es dann auf und ich fand auf der Karte in der Nähe ein Guesthouse, wo ich die Nacht ja vielleicht trocken übernachten konnte. Der Regen verschwand und mein Drang diese Etappe doch zu bewältigen, war größer und so fuhr ich den Pass auf dem aufgeweichten Schotterweg immer weiter nach oben. Neben mir floss ein laut tösender Bach ins Tal und ich fuhr auf einem groben Schotterweg nach oben. Mir war schon klar, dass ich den Pass nicht an einem Tag schaffen würde, da es schon später Nachmittag war. Ich fand in der Karte einen Zeltplatz und steuerte diesen an, in der Hoffnung eine Überdachung zu haben, da es die Nacht wieder regnen sollte und ich keine Lust auf nasses Zelt in der Tasche am nächsten Morgen hatte. Als ich mich den Pass weiter nach oben kämpfte, es wurde zwischenzeitlich ziemlich steil, erreichte ich den Zeltplatz. Naja, ich wusste, dass ich da war, weil mein Standort auf der Karte das verriet. Vor Ort, wie immer in Kirgisistan, keine wirkliche Spur, dass hier jetzt der Zeltplatz ist. Naja, gut, dachte ich mir, fahre ich weiter, da ich noch eine Art Schutzhütte entdeckte. Und es ging ziemlich steil über den Schotterweg nach oben, was schon ziemlich kräftezehrend war. Irgendwann war ich bei der Schutzhütte angekommen, das stellte sich als eine Art Ferienanlage heraus mitten im Nirgendwo. Auf Nachfrage konnte ich dort unter einem kleinen Dach schlafen, was ideal für mich war. Die Besitzerin Nurda erzählte mir, dass ihr Sohn momentan in Stuttgart studiert. Sie wollte mich noch zum Essen einladen, doch ich hatte die Taschen randvoll mit Essen und das muss ja auch mal leer werden. So saß ich da unter meinem Dach, kochte und beobachte das Treiben auf dem Grundstück. Direkt neben mir wollte der Mann von Nurda einen Wasserhahn installieren. Schon eilten zwei ältere Herren herbei, die dem Jungen gleich mal erzählen wollten, wie das richtig gemacht wird aus ihrer Perspektive. Wem kommt das bekannt vor? Die Menschen weltweit haben doch grundlegend immer die gleichen Schwierigkeiten. 🙂 Ich dachte mir nur, dass ich eigentlich hier in den Bergen kaum Menschen sehen werde und meine Ruhe habe, da lag ich wohl falsch. Witzig wurde es dann später als drei Pakistanis im Dunkeln auf dem Gelände auftauchten. Ich beobachtete das treiben und fragte mich was die Jungs hier wollen. Sie beäugten mich von weitem und irgendwann schlichen sie dann bei meinem Schlafplatz vorbei. Sie erzählten mir das Sie Medizin in Bishkek studieren und auf dem Gelände gerade eine Huhn kaufen was für sie geschlachtet wird. Es war gerade 23 Uhr und diese Ferienanlage lag weit weg von jeglicher Ortschaft oder öffentlicher Straße. Ebenso die Straße dorthin ist kein leichtest unterfangen mit einigen Wasserdurchfahrten und sehr holprigen Teilstücken. Also warum nicht sich Abends mal ins Auto setzen und ein Huhn kaufen mitten in den Bergen, wer macht das nicht ständig.Die schüchternen Pakistanis verabschiedeten sich und ich verkroch mich bei einstelligen Temperaturen in mein Schlafsack. Die Nacht unter dem Dach war super. Ich ließ mein Zelt in der Tasche und nutzte nur Schlafsack und Matratze.

Am Morgen startete ich zeitig. Ich hatte knapp 20 km bis zum Pass und noch 1500 hm vor mir. Ich rechnete so grob mit maximal 3 h bis ich den Pass überquert habe. Die Realität sah dann allerdings ganz anders aus, dazu später mehr. Der Weg ging sehr steil weiter nach oben und ich war dann häufig im ersten und zweiten Gang unterwegs, was schon sehr selten vorkommt. Ich entdeckte am Weg einige Kirgisen, die zelteten und Camping betrieben. Und wie immer stand Photoshooting auf dem Programm und Smalltalk. Als das geschafft war, ging es weiter, irgendwie immer steiler bergauf. Plötzlich war sogar Schieben besser als Fahren. Weiter oben konnte ich dann wieder fahren und die Landschaft wurde wirklich atemberaubend schön und ich konnte die schneebedeckten Gipfel sehen, über die ich vielleicht noch drüber musste. Wie gesagt, es wurde immer anstrengender und irgendwann konnte ich nur noch schieben und zweifelte doch stark an meiner Leistungsfähigkeit. Ok, ich war schon wieder auf über 3000 m, dennoch musste der Weg sehr steil sein, was mir im ersten Moment gar nicht so vorkam. Plötzlich zog wieder ein Regenschauer mit Hagel über mich und es wurde frisch. Mein Garmin-Gerät zeigte 5 Grad an und ich hatte meine beiden Jacken an. Es ging immer steiler und verwinkelter nach oben und ich wurde gefühlt immer langsamer beim Schieben, an Fahren war gar nicht zu denken. Meine 3 h waren schon längst rum und ich hatte immer noch 10 km bis zum Pass vor mir. Immer wieder passierten mich krasse Gelände Jeeps, die sich zum Pass hochkämpften. Der Hammer war, als dann ein Jeep hielt und mich die Leute fragten, ob ich aus Deutschland sei und das auf deutsch. ‚Ist man denn nirgends sicher vor diesen Deutschen?‘, dachte ich mir. Der Weg wurde auf einmal richtig gut und zum Fahren war der ideal, doch ich konnte nicht fahren und schob weiter mit immer mehr Pausen, da mir irgendwie sehr schnell die Puste ausging. Neben dem Pass war ein Gletscher, der ziemlich wilde Geräusche von sich gab und dabei musste ich immer wieder an das Lawinen Video aus Kirgisistan Anfang Juli denken. Ich dachte mir, das wird schon gut gehen, also immer weiter nach oben. Zum Ende wurde der Weg noch mal extrem, mit sehr vielen Felsblöcken, über die ich drüber musste. Und irgendwann war ich dann endlich oben angekommen, nach über 7 h insgesamt. Als ich oben war, bereute ich keinesfalls die Entscheidung beim Silk Road Mountain Race nicht mitgefahren zu sein, da dort unzählige solche Pässe überwunden werden müssen.

So nun ging es an die Abfahrt auf der anderen Seite. Als ich den Weg, wenn man ihn denn so nennen will, gesehen hatte, dachte ich mir, da war der, den ich hochgefahren bin, noch recht easy. Ein schmaler Pfad über viele Felsblöcke und ziemlich steil nach unten. Also stürzte ich mich mal nach unten und das war schon ziemlich heftig. Steil, loser Schotter, Felsen, über die ich mit dem Rad drüber musste. Irgendwann war der Weg verschwunden und ich fuhr querfeldein, was gar nicht so ungefährlich war. Das Spanische Pärchen, was ich Tage zuvor getroffen hatte, erzählte mir, die Frau sei dort abgestürzt und hat eine schwere Gehirnerschütterung davon getragen. Sie haben dort zwei Tage kampiert bis sie weiter konnten. Auf Hilfe braucht man hier nicht zu hoffen. Bergwacht oder ähnliches gibt es nicht. So schaffte ich es mit einiger Anstrengung das Steilstück lebend zu überwinden und kam dann auf einen recht gut ausgebauten Weg, der aber durch Felsbruch von vielen Felsblöcken übersäht war. Die Landschaft wurde langsam wieder grün und es ging ordentlich voran auf dem Weg nach unten. Immer begleitet vom Pfeifen der Murmeltiere, die wahrscheinlich ihre Artgenossen warnten: ‚Achtung Eindringling‘. Der Schotterweg wurde dann wieder schlechter und flacher und verlief entlang eines Flusses weiter bergab. Da folgte auch schon das nächste Gewitter hinter mir und ich zog schnell meine Regenjacke drüber und fuhr weiter. Es ging dann über eine weite Ebene zurück in Ortschaften, wo es endlich wieder Straßenbelag gab. Es war schon 19:00 Uhr und ich musste unbedingt was essen. Ich fuhr aus der Ortschaft raus und sah einen für mich alten verlassen Bauernhof. Dort startete ich meinen Kocher und bereite alles vor, um mich zu stärken. Nach kurzer Zeit kam ein Auto und mir war klar: da wohnt ja doch noch jemand. Ich wurde zum Essen und Schlafen im Haus eingeladen. Bei uns würde man mit so einem Eindringling wie mir mit Sicherheit nicht so nett umgehen, oder ? Da mein Essen schon fertig war, winkte ich ab und bedankte mich herzlich dafür. Später wollte ich dann im halbdunkeln mein Zelt aufbauen und da zog schon wieder ein heftiges Gewitter heran. So entschied ich mich das Angebot anzunehmen und bei strömenden Regen im Haus nachzufragen, ob sie denn eine trockene Stelle zum Übernachten hätten. Ich wurde herzlich empfangen und mein Schlafplatz wurde in der großen Wohnstube für mich alleine hergerichtet. Danach ging es an den Abendbrotstisch und mir wurde alles, was ging an Essen hingestellt. Ich lehnte ab, da ich ja schon gegessen hatte und satt war. Bei der vergorenen Stutenmilch musste ich hartnäckig sein und konnte mich dann noch zum Tee retten, zum Glück! Es war ein wahnsinnig anstrengender Tag und mit dem Sitzen dort am Tisch, wurde mir so langsam bewusst, was ich da so geleistet hatte und wie freundlich und hilfsbereit diese Menschen sind. Einfach Wahnsinn. Die junge Frau und Mann verabschiedeten sich mit ihren Kindern bei Oma und Opa und fuhren nach Hause und ich sagte auch Gute Nacht und legte mich ziemlich fertig hin. Am nächsten Morgen, pünktlich um 6 Uhr, wurde ich aus dem Bett geklopft und zum Frühstück bestellt. Das erinnerte mich doch sehr stark an meine Großeltern Zuhause. Also ab zum Frühstück. Hier gab es das gleiche wie abends zuvor: Fleisch. Ich begnügte mich mit Tee und ein paar Plätzchen, verabschiedete mich, lies noch eine kleine Spende da und machte mich auf den Weg Richtung Song Kul.

Es war noch früh am Morgen und alles friedlich. Ich suchte mir ein ruhiges Plätzchen, um mein Frühstück zu machen. Doch auch hier war ich nicht lange alleine und zwei Hirten-Jungs besuchten mich und wollten alles wissen. Wenig später kamen dann noch ihre Ziegen vorbei. Irgendwie, so richtig Ruhe hat man nie, nein Spaß.

Weiter sollte es dann Richtung Song Kul gehen und ich hatte mir eine Route ausgesucht, die einen Teil über eine Bundesstraße ging. Ich hoffte dadurch gut voran zu kommen und dann über einen 3400 m Pass zum See zu kommen. Die Bundesstraße war gefühlt nicht mehr vorhanden und bestand nur aus Schotter und Staub. Anscheinend wird sie gerade erneuert. Nagut, dachte ich mir, fahren wir mal. Das Ganze wurde nicht besser und nach 2 h zog extremer Gegenwind – mal wieder! – auf und ich fuhr mit ca. 7-9 km/h die Holperpiste entlang. Immer wieder kamen LKWs, die unglaublich viel Staub aufwirbelten, sodass ich anhalten musste. Immer noch extrem geschafft vom Tag zuvor, traf ich nach langem hin und her die Entscheidung umzudrehen und den Song Kul auszulassen und direkt zum Yssy Köl zu fahren.

Jetzt ging es mit ordentlich Rückenwind nach unten. Doch die Straße mit den unzähligen Waschbrettern war kein Geschenk. Kurze Zeit später traf ich Mark, aus England, mit dem Rad. Er hatte sich für das Silk Road Mountain Race angemeldet und war zwei Wochen vorher angereist um sich ein wenig auf das Terrain einzustellen. Er absolvierte ebenfalls mehrere Etappen des Rennens und nach Schilderung meiner Erfahrung, war er sich sicher die Teilnahme am Rennen zu canceln. Er erzählte mir, dass er schon drei mal am transcontinentel Rad Rennen teilgenommen hat, was mit ca. 4000 km durch Europa führt. Und das, was er hier in Kirgisistan gesehen hat, echt hart ist. Wir unterhielten uns noch ein wenig und verabschiedeten uns dann. Für mich ging es dann weiter auf Straßen, die sich im Bau befanden, nach Kochkor. Ich suchte mir ein Hostel, um mich erstmal zu erholen. Draußen zog schon wieder das nächste Gewitter auf und ich war froh im Trockenen zu sein. Das Hostel war bei Weitem kein Highlight, doch ich habe schon Schlimmeres gesehen.

Am nächsten Morgen ging es dann für mich Richtung Yssy Köl See, mit leichtem Rückenwind. So konnte ich die erste Stunde gut Meter machen. Nach einer Stunde zog wieder starker Gegenwind auf, die Straße wurde wieder zur Baustelle und es ging auf Schotter weiter. Später war wenigstens eine Spur geteert und es war nicht mehr so holprig. Angekommen in Balykchy am Yssy Köl See, wurde mir erstmal klar wie groß der See wirklich ist. Ich bezog ein Hostel, kaufte ein und kochte im Zimmer mein Essen und ließ den Tag am See ausklingen.

Am nächsten Tag ging es dann weiter Richtung Bishkek, auf einer sehr gut ausgebauten Schnellstraße, mit Rückenwind und leichtem Gefälle. Irgendwann überholte mich ein alter Kamaz LKW, der mit Kohle beladen war. Hier musste ich an Patrick denken, der mir auf unserer Reise eindrucksvoll gezeigt und gelehrt hat, wie effektiv es ist im Windschatten zu fahren. So klemmte ich mich hinter den LKW und fuhr die nächste Dreiviertelstunde mit knapp 50 km/h im Windschatten und machte ordentlich Kilometer gut. Der LKW gab an einem Bergaufstück den Geist auf und so ging es für mich ohne weiter. Die Straße wurde wieder breiter und der Verkehr wieder gefährlicher.

An einem Einkaufsladen traf ich Thomas aus der Schweiz mit seinem Rad und aus einem kleinen Plausch wurde eine halbe Stunde. So entschieden wir zusammen Richtung Bishkek zu fahren. Thomas ist schon mehrere Monate unterwegs und hatte viele interessante Geschichten zu berichten. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut und es war sehr erfrischend sich mit ihm auszutauschen. Da Thomas sein Zelt nach Hause geschickt hatte, entschieden wir uns in Tokmok ein Hotel zu nehmen. Wir fanden ein passables Hotel für 7€ pro Person, wo wir sogar die Küche zum Kochen nutzen konnten. So ließen wir den Tag mit gutem Essen und guten Gesprächen ausklingen.

Am nächsten Tag standen noch 70km bis nach Bishkek auf dem Programm. Hier gab es das erste mal keine Höhenmeter zu überwinden und es ging flach dahin. Anfangs ging es ohne viel Verkehr gut voran. Manchmal sah es aus als wären wir in Südostasien. Durch die vielen Bäume sah es teilweise aus wie Dschungel, sehr ungewöhnlich für Kirgisistan. Umso näher wir Bishkek kamen, um so krasser wurden der Verkehr und die Abgase. Zum einen verbrennen Leute ihren Müll vor den Häusern und zum anderen die Abgase der Autos, vor allem der LKWs. Ich meine, wir in Deutschland reden viel über Klimaschutz und Abgase reduzieren. Was ich natürlich auch richtig finde. Ich persönlich bin kein Klimaaktivist, doch ganz ehrlich, was nützt dieses penible Verhalten bei uns, wenn im Rest der Welt ganz einfach gefühlt alles egal ist. Und das ist ja nicht nur hier in Kirgisistan so. In Europa fängt das schon in Italien an. Und auch wir haben das damals schon auf unserem Weg von Deutschland nach Istanbul beobachten können.

Ich verabschiedete mich von Thomas, dessen Unterkunft mehr im Zentrum von Bishkek lag. Ich gönnte mir in einem chinesischen Restaurant eine Lanhzou Nudelsuppe. Die Suppe war sehr lecker und da kamen viele Erinnerungen an China wieder hoch als wir damals unterwegs waren und fast täglich in solchen Suppenküchen gegessen haben. Für mich ging es dann wieder ins Tunduk Hostel, wo ich jetzt erstmal die Füße hochlege und alles für den Rückflug in 4 Tagen vorbereite. Das war es jetzt erstmal mit Reiseberichten ich werde dann noch einen kleinen Statistikbericht schreiben für alle Zahlen, Daten und Fakten Fans ! bis demnächst !

Bus Racing Kirgisistan

Ja, nachdem mir die Zeit ja ein wenig ausging und ich noch mal ein paar Sachen im Nordosten Kirgisistans anschauen wollte, musste ich irgendwie nach Bishkek zurück kommen. Fahren stand außer Frage, da ich die gleiche Strecke nicht noch mal zurück fahren wollte, wie hin. So dachte ich mir, werde ich schon jemanden finden, der mich mitnimmt von Osh nach Bishkek. Ich brach am 27. Juli in Gulcha Richtung Osh auf. Zuerst musste ich noch einen Pass von knapp 2400 m überqueren und ab da ging es nur noch bergab nach Osh. Ich startete sehr früh in Gulcha, um dem aufkommenden Gegenwind im Laufe des Tages voraus zu sein. Ich war um ca. 9:00 Uhr auf dem Pass und konnte es ordentlich, ohne Gegenwind, laufen lassen. Ich kam extrem gut voran, doch gegen 11:00 Uhr wurde der Gegenwind immer stärker und wieder sehr ungemütlich. Fast wie bestellt und ich war froh so früh gestartet zu sein. Mein Plan war eigentlich in Osh zu übernachten und mir am nächsten Tag eine Taxi nach Bishkek zu organisieren. Da ich schon gegen Mittag in Osh war, dachte ich, warum warten, ich kann ja jetzt schon mal schauen. Meine erste Idee war per Anhalter bei einem LKW mitzufahren. Das wird häufig empfohlen, wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Ich habe mir dann ein Stück Pappe besorgt und von einer sehr netten, freundlichen Verkäuferin das Schild mit dicken Edding mit ‚Bishkek‘ beschriften lassen. So stellte ich mich einfach mal an die Straße und schaute was passiert. Ja, es passierte gar nix, bis mich dann ein paar freundliche Taxifahrer darauf hinwiesen, ich müsse raus aus der Stadt und es dort versuchen. Ich fuhr mit dem Fahrrad ein paar Kilometer aus der Stadt. Es war inzwischen schon wieder unerträglich heiß in Osh mit ca. 40°C. So suchte ich mir einen Platz mit ein wenig Schatten und hielt mein Schild nach oben. Wieder passierte hier nicht viel. So hatte ich mir meine erste per-Anhalter-Fahrt nicht vorgestellt. In einiger Entfernung machte die Polizei Verkehrskontrollen. Die Polizisten sahen mich mit meinem Schild. Ein Polizist fasste sich nach kurzer Erklärung ein Herz und winkte mehrere LKW extra für mich aus dem Verkehr. Ich spürte förmlich, dass er sich dabei ziemlich mächtig fühlte. Die LKW-Fahrer waren vergleichsweise nicht sonderlich begeistert mich mitzunehmen und so gab es hier auch keine Mitfahrgelegenheit für mich. Ich stand noch eine halbe Stunde in der Hitze und entschied mich dann wieder ins Zentrum nach Osh zu fahren, um dort auf dem Basar mein Glück zu versuchen. Also in der Hitze wieder zurück in die Stadt.

Am Bus-Platz angekommen, wurde ich schon von unzähligen Leuten umworben, die mir ansahen: der Junge will nach Bishkek. Nach einigen Verhandlungen, stand der Bus fest, bei dem ich mit fahre. Umgerechnet 20€ für mich und Fahrrad für die 600km in Hauptstadt waren akzeptabel. Ich hob mein Rad in den Sprinter und kaufte noch Wasser und ein wenig zu Essen ein. Ich dachte 5-6h werden wir ja schon fahren. Als ich wieder kam, standen hinter dem Sprinter unzählige Kisten mit Obst, was anscheinend mitgenommen werden sollte. Da dachte ich mir schon, dass da mein Rad dann aber nicht mehr rein passt. War auch so und ein älterer Herr, der sich als Mitfahrer rausstellte, wollte mir klar machen, das Rad kommt dann oben auf’s Dach. Ein Fahrer schlug mir vor, wir könnten doch das Rad hinten an den Sprinter binden, mit Taschen. Ich machte den Jungs klar, dass keiner der Vorschläge für mich akzeptabel gewesen wäre. Nach einigem hin und her, mit viel Getöse, konnte ich das Rad mit Taschen direkt hinter dem Fahrer platzieren. Puh, war ich erleichtert, dass das Rad jetzt im Auto war. Ich entdeckte im Sprinter dann den Schlafbereich, der direkt unter dem Dach lag und mit Matratzen, Decken und Kissen ausgestattet war. Gerade so hoch, dass man dort halb sitzen konnte. Für mich stand fest, ich würde dem Fahrer nicht von der Seite weichen und mich keinesfalls zum Schlafen hinlegen. Irgendwann gegen 16:30 Uhr ging dann die Fahrt endlich mal los, mit 5 Personen.

Wir verließen den Basar und schon ging das Rennen-fahren los. Noch in Osh wurden die ersten roten Ampeln überfahren und ich dachte mir so, „ok, was geht hier ab?“. Nachdem wir dann noch angehalten haben und ca. 20 min. warteten, kamen die nächsten 5 Personen hinzu. Die natürlich alle an mir und dem älteren Herrn vorbei unter das Dach krabbelten und dort die ganze Fahrt lagen. Insgesamt 7 Leute haben dort gelegen, unvorstellbar für mich bei dieser Fahrweise, die der Fahrer an den Tag legte. Es ging mit ca. 100 – 120 km/h innerorts, wie außerorts, immer auf der linken Spur manchmal zu dritt oder zu viert, mit Gegenverkehr dahin. Das Radio voll aufgedreht und gefühlt immer Vollgas. In Deutschland hätte der Gute nach einem Kilometer mit Sicherheit schon 3x den Führerschein abgeben müssen. Nach 4 h gab es dann die erste Pause und wir hielten in einem Restaurant. Ich gönnte mir Manty und Tee.

Nach dem alle wieder ins Auto gekrabbelt waren, ging die rasante Fahrt weiter. Währenddessen wurde ich von allen Seiten interviewed und mit allen möglichen Fragen gelöchert. Wie viele Kinder ich hätte, ob verheiratet, Beruf und ganz wichtig: was für ein Auto ich fahre. Die Jungs waren absolute Mercedes-Fans und waren ein wenig enttäuscht, dass ich selbst keinen fahre. Der Mercedes-Sprinter, mit dem wir unterwegs waren, hatte knapp 700.000 km runter und von außen waren schon etliche Kampfspuren ersichtlich. Das Tempo war weiterhin rasant und es wurde überholt, wo es nur ging. In einer größeren Stadt hielten wir plötzlich an und die Jungs forderten mich auf, mit ihnen zu kommen. Wir gingen an einen kleinen Verkaufsstand, wo es Jarma gab, die Coca Cola Kirgisistan’s, wie mir gesagt wurde. Jarma ist ein Kaltgetränk aus gemahlenen Gertreide, was fermentiert wird und mit Ayran gemischt wird. Ja, was soll ich sagen, das hat scheußlich geschmeckt und nach 2-3 Schlucken winkte ich dankend ab. Die Jungs lachten nur, kauften sich jeder ein 5 l Kanister von der Brühe und ab ging’s ins Auto und weiter. Ich merkte vorher schon, ‚ok, die Fahrt wird ein wenig länger dauern‘, und als der Fahrer mir sagte, dass wir gegen 06:00 Uhr in Bishkek ankämen, schaute ich nicht schlecht. Die nächsten Stunden ging die Raserei weiter und gegen 2 Uhr nachts gab es dann kurz nach einer Mautstelle die zweite Pause, nach knapp 10h. Hier sah man dann auch mal alle 7 Leute, die unter dem Dach lagen, an der frischen Luft. Nebenan wurde noch schnell eine Baggerschauffel verladen, wobei man hätte meinen können, dass die Vorderachse des Transporters gleich abhebt. Es war verblüffend zu sehen, was da nachts alles so auf den Beinen ist. Gefühlt habe ich nachts mehr Menschen und Fahrzeuge gesehen als tagsüber. Für uns ging es dann die nächsten Stunden über einige Pässe, wo wir natürlich nicht mehr ganz so so spritzig unterwegs waren. Überholt wurde trotzdem noch immer. Hier sah man dann auch unzählige Menschen und Fahrzeuge, die am Straßenrand standen und Pannen und Probleme mit ihren Fahrzeugen hatten.

Als wir dann den Tunnel, von dem ich am Anfang meiner Beiträge berichtet hatte, passiert hatten, ging es bergab und wieder flotter voran. Hier waren noch andere Sprinter unterwegs, mit denen wir uns dann duellierten. Der Fahrer und ich waren noch die einzigen, die wach waren und ich hatte doch auch schon stark mit Müdigkeit zu kämpfen. War ich doch nun auch schon seit knapp 6 Uhr auf den Beinen und hatte knapp 90 km mit dem Fahrrad absolviert. Gegen halb 5 hatten wir die Berge hinter uns gelassen und rassten nun Richtung Bishkek. In einigen Ortschaften machte der Fahrer das Licht aus vom Bus und versuchte mir zu erklären, dass er dadurch der Geschwindigkeitskontrolle der Polizei entgehen kann. Naja, was soll ich sagen. „Geht’s noch?“, dachte ich mir. Der Sprinter war so laut, dass man ihn schon von Weitem hörte. Wie soll der nicht auffallen, gerade nachts, wo so wenig Verkehr war. Nuja, nachdem er das Spiel 3-4 gemacht hatte, bogen wir plötzlich von der Straße ab und das ganze Obst wurde hier auf einem lokalen Markt abgegeben. Anschließend fuhren wir weiter nach Bishkek, wo wir dann endlich gegen 06:00 Uhr in der Früh ankamen. Ja, sein Versprechen hat er ja gehalten, mit der Uhrzeit. Wir kamen an einem großen Bus-Platz an und der Fahrer hüpfte aus dem Bus und verschwand. Mein Banknachbar und ich waren ein wenig verunsichert, ob es jetzt noch nicht weiter geht? Währenddessen wir so warteten, schlief ich ein und bin gegen 7 Uhr wieder aufgewacht. Ich habe mich dann aus dem Bus geschält, mein Rad zusammen gebaut, meine Taschen aus dem Bus geholt und alles fahrfertig gemacht. Ich hatte mich dann doch leicht verschlafen auf den Weg ins Hostel gemacht, wo ich mich erstmal wusch und ausschlief. Leute, was soll ich sagen, das war die krasseste Busfahrt in meinem Leben und ich lebe noch.

Im Tunduk Hostel waren wieder viele coole Leute unterwegs und man konnte sich super austauschen. Mehrere Radfahrer und iranische Bergsteiger, die den Pik Lenin bestiegen haben. Das spanische Radfahrer-Trio traf ich auch wieder im Hostel und sie berichteten mir, dass bei ihrer Busfahrt zurück nach Bishkek die Heckklappen des Sprinter aufgingen. Dabei verloren sie eine Tasche, weil das Ganze viel zu spät bemerkt wurde. Da war ich froh, dass ich mein Rad direkt hinter mir mit allen Taschen geparkt war. Ich unterhielt mich sehr ausgiebig mit Ahmad, einem Iraner, der den Pik Lenin besteigen wollte, aber aus gesundheitlichen Gründen bei 6500 m abbrechen musste. Ahmad flüchtete 2009 auf eigene Faust aus dem Iran, da er das Totalitäre Religionsregime satt hatte. Er war ein halbes Jahr komplett alleine unterwegs, zu Fuß sagte er, ohne Hilfe. Mit Schlauchboot übers Meer und harten Zeiten, als er zur Winterzeit unterwegs war. In der Schweiz wurde er dann kontrolliert, hatte keinen Pass und kam dort in ein Flüchtlingsheim. Mittlerweile lebt er seit zwölf Jahren in der Schweiz und spricht sehr gut Deutsch. Er hat eine Festanstellung und Wohnung und liebt das Leben in der Schweiz. Er sagte, dass er so froh ist, dass er geflohen ist, weil das Regime im Iran immer schlimmer wird. Er sagte, das alles war nicht einfach, doch seine innere Stimme hat ihm gesagt, dass ihm ein anderes Leben bestimmt ist und dass er hier weg müsse. Ein tolles Beispiel dafür, dass Mut immer belohnt wird. Leider haben wir uns dann nicht noch mal gesehen und so konnte ich leider kein Foto mit ihm machen.

Kurze Zeit später kam dann noch Jonathan aus Deutschland mit dem Rad im Hostel an, ziemlich fertig, da er von Armenien nach Bishkek geflogen ist und eine stressige Reise hatte. Wir kochten und aßen zusammen spät noch Abendbrot und ich lauschte Jonathans Erlebnissen. Er ist 21 und seit gut 11 Monaten unterwegs, von Deutschland aus. Er war bereits in Israel und Jordanien und hat eine etwas andere Route als wir genommen 2017. So klang der erste Tag im Hostel aus.

Am zweiten Tag überlegte ich dann, was ich mit meiner restlichen Zeit noch anfangen könnte und überlegte mir eine Etappe des Silk Road Mountain Race über den Kegety Pass zu fahren, dann über den Song Kul und Yssy Köl See zurück nach Bishkek. Wie das so alles gelaufen ist, gibt’s dann im nächsten Beitrag.

Hoch, höher Pik Lenin

Nach dem ich bei Shamurat die Ruhe und Abgeschiedenheit in seiner Mountain lodge genießen konnte ging es nach zwei Tagen weiter Richtung Sary Moghol und Pik Lenin. Kurz nach Sary Tash zweigt die Straße nach Links ab führt zum Grenzübergang nach Tadschikistan über den Kyzyl Art Pass auf über 4000m. Das wäre die Straße gewesen von dem man über den Pamir Highway von Tadschikistan nach Kirgisistan kommt. Da hier allerdings die Grenze geschlossen ist und ebenso der Grenzübergang nach China der ca. 70km entfernt ist war in Sary Tash an Touristen niemand anzutreffen. Da der Ort ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für einheimische und Reisende ist.

Es sind rund 40km bis nach Sary Moghol die ich sehr entspannt angegangen bin. Ich genoß den permanenten Blick auf die Alai Bergekette und Pik Lenin. Es ist wirklich atemberaubend diesen einmaligen Blick über diese weite Hochebene auf die schneebedeckten Gipfeln zu haben. Die Straße verläuft relativ eben auf der Hochebene entlang und windet sich an kleineren Bergen entlang immer den Blick links auf die schneebedeckten Berge. Ich denke die Bilder sprechen für sich doch merke ich selbst beim betrachten der Bilder in echt haben diese Riesen Berge die ja im Bereich der 7000m liegen eine viel imposantere Wirkung.

Auf der Straße nach Sary Moghol war sehr wenig Verkehr und ab und standen ein paar Jurten wo die Menschen hier auf knapp 3000m Landwirtschaft und Viehzucht betreiben. Hier sind große Herden von Kühen, Pferden und Lautstarken Eseln unterwegs. Spannend zu sehen auf welche Art und Weise diese Menschen ihr Leben bestreiten. Häufig schon seit Generationen an der gleichen Stelle mit den fast gleichen Mitteln. Ein Leben was für uns zuhause denke ich nicht vorstellbar wäre. Doch das ist nur meine Sicht, möglicherweise wäre das Leben was wir in Deutschland führen für diese Menschen genauso nicht vorstellbar. Die ja so in Einklang mit Natur und ihren Tieren leben. Denn wer hat das Recht zu entscheiden was gut und schlecht ist. Das kann nur jeder für dich selbst. Doch tun meiner Meinung nach in Deutschland viele genau das Gegenteil. Sie wollen anderen Sagen was richtig und falsch ist weil man das eben so macht und sie es ja angeblich besser wissen. Ist das nicht sehr vermessen sich über andere zu stellen und ungefragt Kritik an ihnen zu üben nur weil das Konzept nicht in ihr Weltbild passt. Es gibt Millionen von Wegen Leben zu bestreiten doch trauen sich viele nicht ihre ganz eigene Geschichte zu Schreiben. Ich bin dafür angetreten meine ganz eigene Geschichte zu Schreiben und dich lieber Leser möchte ich ebenfalls dazu ermutigen. Denn eine Sache im Leben ist 100% sicher das wir irgendwann Sterben werden. Alles dazwischen liegt in unserer Hand. Macht was drauß !

So nun aber weiter im Text. Angekommen in Sary Moghol kam ich im Lenin Peak Guesthouse unter welches mit Shamurat von Pamir Extreme empfohlen hat. Hier schien ich das erste mal wieder auf Reisende und Reiseradler zu treffen. Doch erstmal bezog ich mein Zimmer und packte meine Taschen vom Rad. Ich nahm alle nötigen Sachen mit und machte mich auf den Weg Richtung Pik Lenin und Tulpar Lake in der nähe des Base Camp. Vom Ort sah man den Schotterstraße die über die sanfte Graslandschaft dort hin führte. Vom ersten schauen sah es gefühlt nach 5km oder maximal 10km aus. Aber bei diesen weiten hier mussten es natürlich mehr sein. In der tat es waren knapp 25km und knapp 550hm bis hin. Ich also losgeradelt und dachte dabei noch an so schöne Schotterwege bei uns im Thüringer Wald. Doch was mich hier erwarte war wirklich nicht schön und hat mir einiges abgefordert ehrlich gesagt. Es waren verschiedene Spuren und Wege überzogen von großen Schottersteinen und durch die vielen Autos eingefahrenen Waschbrett Rillen. Ich war ja froh mich entschieden zu haben eine Federgabel zu verbauen doch war das geschuckel alles andere als angenehm für mich. Und diese 25km zogen sich über diese weite Landschaft ewig hin. Ich dachte teilweise das ich gefühlt nicht voran gekommen bin. Der positive Aspekt dabei war immer einen grandiosen Blick direkt auf den Pik Lenin zu haben. Beim rauffahren kam mir noch ein Radler Pärchen entgegen mit denen ich mich kurz austauschte. Enrice aus Spanien und Merede aus Norwegen bereisen Kirgisistan zum zweiten mal. Wir tauschten uns ein wenig aus und da wir im gleichen Guesthouse sind verabredeten wir uns zum Abendessen. Dann ging meine wilde Schotterfahrt weiter. Zum Ende wurde der Weg ein wenig besser und steiler. Ging es doch am Ende jetzt wieder bis auf 3500m hoch. Die Höhe machte mir zu schaffen und ich war echt platt als ich am Tulpar Lake angekommen bin.

Ich entschied mich dann nicht weiter zu fahren und am Tulpar Lake mit großem Jurtcamp zu bleiben. Wie sich rausstellte bräuchte ich noch ein permit für das Base Camp was ich eh nicht hatte. Der Ausblick auf diesen Pik Lenin mit seinen 7134m ist gigantisch und gewaltig. Und ja, es war es Wert mich den Weg dafür hochzukämpfen. Ich verweilte eine ganze Stunde dort oben genoß die unglaublichen Blick. Interessanterweise fand ich heraus das der Pik Lenin 1928 von einer Deutschen Expedition erst bestiegen wurde und einen damaligen weltweiten Höhenrekord darstellte. Mir kamen dabei die Gedanken mit welch primitiver Ausrüstung das damals vor fast 100 Jahren wohl geschehen sein mag und im Vergleich mit was für Outdoor Equipment wir heute unterwegs sind. Wo ein Wille da ein Weg.

Nach dem ich die ganze Szenerie aufgesogen hatte begab ich mich auf den Rückweg, der sollte doch jetzt angenehmer werden geht ja nur bergab dachte ich mir. Der Anfang ging gut steil nach unten und es ging zügig voran. Dann wurde es flacher und das fahren war trotz das es bergab ging schlimmer als rauf. Die Steine und die Waschbretter plus der aufkommende Gegenwind gaben sich die Klinke in die Hand mir die Abfahrt so richtig zu versüßen. Ich hatte wirklich ein paar Momente wo ich absolut keine Lust mehr hatten und dachte über schieben nach. Irgendwann habe ich es dann endlich wieder nach Sary Moghol erreicht, sehr geschafft aber happy endlich da zu sein. Ein zweites mal werde ich da wohl nicht noch mal mit dem Rad hinfahren.

Dabei musste ich an das Silk Road Mountain Race denken was seit ein paar Jahren in Kirgisistan stattfindet. Mit knapp 2000km und über 35.000hm in 12 – 13 Tagen eines der härtesten Mountainbike Rennen der Welt. Die Jungs dort fahren nur auf solchen Weg durch Kirgisistan über Pässe von bis zu 4200m. Ich hatte mich dort auch angemeldet aber dann recht schnell gemerkt das ist zu krass für mich und entsprach nicht der Vorstellung die ich von meiner Tour hatte. Da mein Fokus mehr auf genießen liegt war das definitiv die richtige Entscheidung. Es gibt einen wunderschönen Film über das Rennen welcher eindrucksvoll zeigt wie hart es dort zugeht. Hier der Link zum Video https://youtu.be/UVwjQ_l38L.

Für mich stand dann Abends ein wenig Erfahrungsaustausch mit den Radfahrer Pärchen und anderen Gästen auf dem Programm. Es war schön mal wieder sich auszutauschen. Und hier zeigt sich wieder unterschiedlich Reisen sein kann. Manche hatten einen exakten Zeitplan wo und wann sie alles besichtigen mit gebuchten Unterkünften und Guides gefühlt ohne Spielraum für Spontanität. Und dann mich der dann eben mal einfach losfährt und guckt bis wohin er kommt und noch nicht exakt weiß wo er am Abend schlafen wird. Doch das soll keine Wertung sein jeder darf hier seinen Weg gehen. Ich werde vermutlich nur einen Teil von Kirgisistan sehen doch das ist vollkommen okay für mich, mein Ziel ist es ja abzuschalten und mehr in meine Mitte zu kommen. Ich kann anderseits auch die Leute verstehen die begrenzte Zeit haben und alles sehen wollen.

Nach dem ich noch einen Pausentag in Sary Moghol eingelegt habe machte ich mich auf den Weg zurück Richtung Osh von wo ich gekommen bin. Da ich nicht komplett den gleichen Weg fahren wollte fuhr einen ich einen Abschnitt des Silk Road Mountain Races aus diesem Jahr der mir sogar noch ein paar Kilometer sparen sollte, dennoch keine Zeit. Das wusste ich aber vorher noch nicht. Ich fuhr von Sary Moghol ca. 8km Straße bevor es dann links auf Schotterwegen durch ein kleines Dorf durch ein Tal Richtung Osh ging. Kurz nach dem Ort kam schon der erste Kirgise auf einem Pferd mir entgegen und platzierte sich vor mir als wollte er mich nicht passieren lassen. Nach kurzem smalltalk wünschte er mir alles gute und ich konnte weiter auf dem Schotterweg dahin poltern. Da kam auch schon die erste Wasserdurchfahrt von der noch ca. 10 folgen sollten. Der Weg führte immer entlang des Tals einen Fluss hinauf vorbei an vielen Jurten und Bauern die hier ihre Tiere auf den Weiden haben. Die Menschen haben hier so wie ich es wahrgenommen habe keinen Strom höchstens ein Solar Panel an der Jurte und kein Handy Empfang. Interessant was diesen Menschen dadurch so alles verbogen bleibt. Für viele ist ja die täglicher Medialer Bericht Erstattung und Angstmacherei schon wie eine Droge womit Sie ihren von Kindesbeinen an gelernten Stress und Angst Pegel füttern und in Schockstarre gehalten werden. Weil die Welt da draußen ja so schrecklich ist. Deswegen mein Appell, geht raus in Welt und macht euch selbst ein Bild und ihr werdet überrascht sein wie es wirklich aussieht.

Nach dem ich weiter das Tal hinauf gefahren bin kamen immer mehr Jurten und Bauern zum Vorschein die mir wie freundlich zuwinkten und mir essen schenken wollten. Doch ich erklärte immer das ich nix brauche und alles dabei habe. Vorallem die Kids flippen immer förmlich aus und winken und rufen „hello“ oder „bye bye“. Durch das Tal ging es konstant bergauf anfangs recht moderat zum Ende hin wurde es aber deutlich steiler. Es folgten mehr mehr Flussdurchfahrten bei der meine Füße dann nicht mehr trocken blieben. Der Weg wechselte von Schotterweg zu Wiese, grober Schotter mit großen Steinen oder teilweise gar kein Weg immer hin und her. Zum Schluss gab es noch mal einige steile Anstiege zu überwinden um dann endlich oben auf dem Taldyk Pass auf 3615m wieder anzukommen. Das war eine willkommene Abwechslung doch solche Wege wie beim Silk Road Mountain Race über knapp 2000km und 14 Tage zu fahren ist denke ich sehr herausfordernd, wirklich Hut ab davor. Für mich standen jetzt knapp 80km Abfahrt mit 2000hm runter auf dem Programm. Ich freute mich sehr darauf und die ersten Meter den pass hinunter liefen auch erste Sahne. Doch dann trat wieder extremer Gegenwind auf der mir die Abfahrt bis Gulcha zur Höhle machte. Ich war teilweise beim runterfahren langsamer als beim rauffahren. Es ist sehr frustrierend wenn man sieht das es bergab geht und man treten muss das man voran kommt. Ich habe dazu ein wenig recherchiert da ich das ja fast immer hatte wenn ich ein Tal hinunter gefahren bin. Und habe dazu die Erklärung gefunden das es Tal und Bergwind gibt. Durch das aufheizen des Bodens am Morgen wird Boden nahe Luft erwärmt und steigt nach oben das Tal hinauf. Durch die starke Sonnenstrahlung wird dieser Effekt natürlich verstärkt und es entsteht starker Wind. Übrigens nachts kehrt sich das ganze um. So wäre es ratsam die Abfahrt recht zeitig am morgen oder nachts zu absolvieren. Ich schaffte es nach 126km endlich ziemlich fertig in Gulcha anzukommen und traf im dortigen Hostel das Spanische Pärchen aus Sary Moghol wieder die mir das ganze bestätigen. Sie fuhren einen Teil der Talabfahrt am frühen Vormittag und berichteten mir das sie kaum Wind hatten. Wieder was gelernt.

Ich habe jetzt noch knapp 1,5 Wochen hier in Kirgisistan. Und bin gerade am schauen wohin es jetzt noch geht. Da die Zeit ein wenig knapp wird versuche ich eventuell mit einem Taxi oder Lkw Richtung Bishkek oder Naryn zu kommen, da ich den nordöstlichen Teil von Kirgisistan noch erkunden will. Wie das so alles funktioniert hat, ich hab selbst noch keinen Plan erfahrt ihr dann im nächsten Beitrag.

Wölfe und dünne Luft

Ich bin gegen 7:30 Uhr in Osh gestartet, um der Hitze von fast 40°C täglich ein wenig zu entgehen. Ich habe erstmal noch ein wenig Proviant aufgefüllt mit Wasser und Snacks. Ich war froh aus Osh raus zu sein, weil der Verkehr und die ganzen Abgase mir keine Freude machen. So dauerte es auch nicht lange und der Verkehr lies spürbar nach. Nachdem ich in einem Magazin (Einkaufsladen) mir noch was zu Essen besorgte, kam ich mit Erzat, der im Laden arbeitete, ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er einen Deutsch-Kurs in Osh besuchte und wollte nun seine Kenntnisse im Gespräch mit mir anwenden. Wir unterhielten uns ein wenig und er war so happy darüber, dass er mich zum Essen einlud. An den Laden war ein großes Restaurant angeschlossen, welches seiner Familie gehörte. Dort bekam ich Tee, Brot und 2x Samsa aufgetischt. Samsa sind mit Fleisch gefüllte, sehr würzige Brottaschen, die enorm lecker sind. Nachdem wir noch Adressen ausgetauscht und Fotos gemacht haben, verabschiedete ich mich und fuhr weiter.

Ich habe es bewusst langsam angehen lassen. Da bis nach Sary Tash und Sary Moghol ca. 4000 hm und knapp um 220 km zu absolvieren waren. Am ersten Fahrtag nach Osh ging es moderat bergauf, ohne krasse Anstiege, dennoch hatte ich nach 60 km über 1150 hm absolviert. Kurz vor dem ersten Pass in einem kleinen Ort, suchte ich mir direkt am Fluss einen Zeltplatz. Ich dachte ‚Schlaf so hoch wie möglich, um dich an die Höhe der kommenden Tage zu gewöhnen‘. Bei meiner Zeltplatzsuche kam ein Einheimischer auf mich zu, der sehr gut Englisch sprach und ich fragte, ob es ok sei an der Stelle zu zelten. Er sagte ‚ja, es sei ok, ich sollte nur in der Nähe der Häuser bleiben‘, klärte das aber nicht weiter auf. ‚Na gut‘, dachte ich mir, wird schon gehen und breitete mich aus, wusch mich im Fluss und lies den Tag ausklingen. Der Zeltplatz war keineswegs abgeschottet und auf dem Weg, der dort vorbei führte, war reger Betrieb. Erst viele Autos und dann später trieben die Bauern ihre Kühe und Ziegen zurück in die Stallungen. Schlafen ging irgendwie nicht so gut, bellten doch den Großteil der Nacht Hunde. Da kamen mir die Situationen aus Georgien 2017 wieder hoch als Patrick und ich im Zelt lagen und plötzlich nachts ein lautes Wolfsheulen einsetzte, was sich sehr, sehr nah anhörte. Damals hatten auch die Hunde ringsrum lange gebellt. Vielleicht deswegen der Rat dicht an den Häusern zu schlafen? Naja, ein wenig unruhig war mir schon zumute. Nachdem ich mich nochmal zum Austreten gegen Mitternacht rausquälte, staunte ich nicht schlecht, als ich über mir die Milchstraße am Sternenhimmel sah. Jetzt dachte ich: alles oder nichts. Stativ raus und Kamera an, das lass ich mir nicht entgehen. Hatte ich damals 2017 die Chance schon einmal vertan als ich mit Magenkrämpfen in Kasachstan im Zelt lag und gefühlt zu schwach war Bilder zu machen. Nachdem ich ein paar Bilder gemacht habe, ging es zurück ins Zelt. Ich lauschte noch aufmerksam dem Gebell der Hunde bis ich dann doch irgendwann einschlief.

Am nächsten morgen, als die Sonne aufging, wurde es rasend schnell warm und ich packte alles zusammen, frühstückte und machte mich auf den Weg den ersten Pass auf knapp 2400 m, der ca. 4 km vor mir lag, zu überwinden. Es war kurz nach 8 Uhr und schon verdammt heiß. Der Schweiß floss in Strömen. Oben angekommen machte ich noch ein paar Bilder und stürzte mich dann in die knapp 15 km lange Abfahrt nach Gulcha. So schön die Abfahrt auch war, musste ich nur dran denken, dass ich dann später auch alles wieder hochfahren muss. In Gulcha startete ich in einem Restaurant dann Frühstück Nr. 2 mit Manti (gefühlte Teigtaschen). Nach dem Frühstück war klar: ab jetzt geht es nur noch bergauf, ist doch irgendwie gut zu wissen, was auf einen zukommt. Die Straße führte immer entlang des Gulcha Flusses durch traumhafte Landschaft mit sehr wenig Verkehr.

Ich hatte mir für abends schon einen Zeltplatz ausgemacht. Dort angekommen, sah es nicht ganz so optimal aus, da starker Wind aufzog und ich hier keine Lust drauf hatte wieder den menschlichen Hering für das Zelt zu spielen. Ich fand eine kleine, windgeschützte Ecke und dachte mir ok, hier könnte es gehen. Wenige Minuten später hielt ein weißes Auto in meiner Nähe mit einem jungen Mann, der mir klar machte, nachts seien hier Wölfe unterwegs und es wäre sicherer bei ihm zu schlafen. Ich hatte mich im Vorfeld mit dem Thema Wolf beschäftigt und hätte nicht erwartet, dass es dort, wo ich war, Probleme geben könnte, weil noch Ortschaften in der Nähe waren. Der Wolf soll an sich ja scheu sein, dennoch dachte ich mir, dass der Junge Mann es besser wissen wird als ich. So lotste er mich auf sein Grundstück mit Jurte. Wir kommunizierten per Google Translator und er machte mir klar, dass er erst seine Ziegen vom Berg holen muss und dass er in 1,5 h zurück ist. Ich sollte mir es schon mal gemütlich machen. Währenddessen brachten Freunde von Bacha – so hieß der Junge Mann – einen stark angetrunkenen, älteren Herren in die Jurte und legten ihn ins Bett. Da dachte ich mir schon, das kann ja lustig werden. Dieser torkelte dann noch ein wenig durch die Jurte bis er raus stürzte und im Gras vor der Jurte weiter schlief. Als Bacha mit seinen Ziegen vom Berg zurückkam, stellte sich raus, dass der Betrunkene sein Vater ist, den wir jetzt noch zu ihm nach Hause fuhren. Ich befürchte, dass es jetzt noch ein großes Familienessen und Verköstigung gab. Jedoch lieferten wir den Vater ab und fuhren zurück zu Bacha’s Jurte. Dort tauschten wir uns noch ein wenig aus und gingen dann zeitig schlafen. Ich war sehr froh über den Zustand, da ich doch durch die Nacht vorher ein wenig beunruhigt war, jedoch auch nur durch das Wissen, dass hier etwas sein könnte. Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Am nächsten morgen tauschten wir noch Nummern aus, falls ich Hilfe gebrauchen könnte, machten noch ein paar Bilder und dann startete ich Richtung Sary Tash.

Für mich stand an diesem dritten Fahrtag ordentlich Höhenmeter auf dem Programm. Es geht dabei über 2 Pässe mit 3615 m und 3550 m Höhe und eine Strecke von knapp 50 km, was sich eigentlich nicht viel anhört. Anfangs ging es durchaus wieder sehr moderat nach oben. Dabei durchquerte ich wunderschöne Landschaften, die einen manchmal zweifeln liesen, ob man jetzt in Kirgisistan ist oder doch eher in den USA in der Nähe des Grand Canyon. Nachdem das erste Restaurant geschlossen hatte, fand ich glücklicherweise noch ein zweites, wo ich mich nochmal stärken konnte, vor den zwei Pässen. Es gab einen Mix aus Nudeln, Reis, Soße und ein wenig Fleisch mit dem Namen Gulasch. Man konnte es essen, aber das Highlight war es nicht. Ich war nun schon auf einer Höhe von 2800 m und hatte jetzt noch knapp 800 hm vor mir. In einem kleinen Ort vor dem Pass, kaufte ich mir noch ein paar Snacks und wurde frenetisch bei der Abfahrt von den Kids auf der Straße gefeiert. Ab jetzt ging es ziemlich steil ca. 10 km bis auf den Pass rauf. Das war schon ordentlich anstrengend und ich machte doch deutlich mehr Pause als mir lieb war. Auf dem Weg nach oben stand ein kleines Mädchen, welches wahrscheinlich auf ein Taxi wartete. Dieses kleine Mädchen schenkte mir, als ich sie passierte, eine kleine Blume und wünschte mir einen guten Weg nach oben. Diese Geste war für mich unglaublich schön und ich schätze das Mädchen auf ca. 6-7 Jahre, welches da ganz alleine am Straßenrand stand. Besonders bemerkenswert finde ich, dass in vielen Lebensmittelgeschäften hier Kinder an der Kasse sitzen, die für mich gefühlt irgendwo zwischen 5 – 8 Jahre alt sind. Die machen ihren Job echt gut und dabei frage ich mich, weshalb traut man das den Kindern bei uns Zuhause nicht zu. Die gefühlt vor jeder Verantwortung beschützt werden und dann schlagartig mit 18 Jahren eigenständige Erwachsene sein sollen.

Aber zurück zum Anstieg auf den Taldyk Pass. Je höher ich kam, umso mehr Pausen musste ich einlegen und merkte die dünne Luft sehr. Ich fuhr teilweise in Serpentinen die Straße hoch damit es leichter geht. Die Straße dort ist auch nicht immer im besten Zustand, da häufig nach Regenfällen Erdrutsche die Straße verschütten und so doch auch viel Staub und Dreck liegt, der durch vorbeifahrende LKW aufgewirbelt wird. Als ich dann irgendwann oben angekommen war, war ich mega happy und erleichtert das hinter mich gebracht zu haben. Ich machte noch ein paar Fotos und wurde gleich von den umliegenden Kirgisen als Fotomodell benutzt. Und so kamen dann etliche Leute, die ein Foto mit mir wollten und natürlich wissen wollten woher, wohin, wie alt etc.

Nach dem Fotoshooting ging es dann erstmal wieder ein paar Kilometer bergab, um dann gleich wieder den nächsten Pass auf 3550 m Höhe zu überwinden. Bei der Abfahrt hat man kurz einen genialen Blick auf die Spitze des 7140 m hohen Pik Lenin. Ein toller und sehr beeindruckender Ausblick, wenn rundherum alles grün ist und dieser Berg mit seinem schneebedeckten Gipfel heraus sticht.

Nach dem Überwinden des nächsten Passes, ging es dann nur noch bergab. Die Einfahrt nach Sary Tash war sehr beeindruckend durch die Schnee-bedeckten Berge der Alai Kette im Hintergrund, die bis zu 6500 m hoch sind. Der Ort liegt auf ca. 3200 m und ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Zum einen treffen sich hier der Pamir Highway von Tadschikistan Kommend und die Straße zum Irkeshtam Pass zum Grenzübergang nach China.

Alles in allem waren die letzten drei Tage aufregend und sehr abwechslungsreich. Habe ich doch großartige Menschen und extrem viel Hilfsbereitschaft erfahren dürfen.

Ich werde jetzt hier ein paar Tage in Sary Tash bleiben und dann weiter nach Sary Moghol fahren. Ich bin in der Pamir extreme Mountain Lodge untergekommen, welche wirklich top ausgestattet mit sehr sauberen Zimmern ist. Aus dem Aufenthaltsraum hat man einen genialen, ungestörten Blick auf die Alai Berge, die im Hintergrund liegen. Es war allerdings auch eine kleine Herausforderung hier unterzukommen. Als ich ankam, war gefühlt keiner da und alle Türen standen offen, doch ich fand im Haus keinen. Dann mal den Besitzer des Pamir Extreme angerufen, die russische Bandansage macht mir klar: entweder Nummer falsch oder nicht erreichbar. Nagut dann zum nächsten Guesthouse. Hier das gleiche Spiel: alle Türen auf und keiner da. Ok, dachte ich mir, lass mich erstmal was essen irgendwo, dann wird sich schon was ergeben. Kurz darauf meldete sich Shamurat vom ersten Guesthouse und erklärte mir, dass er unterwegs sei und jemand mir ein Zimmer geben würde, wenn ich zurück fahre. Plötzlich war sogar jemand anzutreffen und ich konnte mein Zimmer beziehen. Also immer dran bleiben, nur nicht immer so verbissen.

Es ist alles sehr neu und ich bin komplett alleine. Gut zum Abschalten und Reflektieren, was so alles passiert ist und was in Zukunft noch alles Spannendes auf mich zukommen wird. Momentan plagt mich leider auch wieder ein wenig Durchfall und ich hoffe, dass ich das mit meiner Reiseapotheke in den Griff bekomme, bevor ich Richtung Pik Lenin aufbreche. Shamurat, der Eigentümer des Pamir extreme, hat die Pandemie genutzt, um ein komplett neues Guesthouse zu bauen, was sich wirklich sehen lassen kann. Er bietet viele Touren an, ob mit Mountainbike, zu Fuß oder Skitouren im Winter und kennt sich bestens aus in der Gegend. Also wenn ihr mal nach Sary Tash kommt dann ins Pamir Extreme. Da mich das Thema mit den Wölfen immer noch beschäftigt hat, habe ich Shamurat als Experten befragt und er sagt es sei Schwachsinn gerade in der Nähe von Häusern oder Dörfern Wölfe zu erwarten. Er meinte manche Einheimische machen das manchmal größer als es ist. Er sagt es gibt in Kirgisistan Wölfe, doch hat er noch nie von einem Vorfall gehört. Haben wir doch wieder was gelernt.

Ich lege jetzt noch ein bisschen die Füße hoch und werde euch dann berichten, wie es im Basecamp vom Pik Lenin so zugeht.