Vamos ala playa

Von Viano do Castello ging es für uns immer am Meer entlang. Wir folgten dabei nicht dem ursprünglichen Jakobsweg und hatten so ein wenig Ruhe vor den ganzen Pilgern. Der eigentliche Weg sollte viel durch Ortschaften gehen und wenig durch die Natur. Wir liefen den ganzen Tag immer am Meer entlang, anfangs auf gut ausgebauten Radwegen, mit sehr wenig Publikumsverkehr. Das Wetter war wie bisher immer top und wir hatten strahlend blauen Himmel mit spitzen Temperaturen um die 25 Grad Celsius. Wir verließen dann immer mehr die öffentlichen Wege und suchten nach naturbelassenen Wegen entlang des Strandes und wurden mehr als fündig. Verwinkelte Wege durch hohes Gras, unberührte Strände und Felsformationen waren wunderschön anzusehen und die Etappe war für uns bisher das Highlight.

Ich, als Wander-Neuling, hatte ja gleich am Anfang mein Blasen-Problem. Jetzt fing es langsam an in der Hüfte zu ziehen. Man muss natürlich sagen, ich habe mich auf das Laufen auch nicht wirklich vorbereitet. Das ziehen wurde nicht besser und auch nicht schlechter und es ging weiter. In Ancora machten wir ausgiebig Mittag, stärkten uns erstmal ordentlich und gönnten unseren Beinen und Füßen eine Pause. Die Pause tat gut und es lief sich gleich wieder ein wenig flotter. Für uns ging es damit erstmal weg vom Meer und entlang des Rio Minho weiter ins Landesinnere durch Caminha nach Seixas, wo wir in einer großen Alberge/Herberge einen Platz zum Schlafen fanden. Mit uns auf dem Zimmer war ein Amerikaner, der bereits den französischen Jakobsweg gelaufen ist und jetzt noch gleich im Anschluss den portugiesischen läuft. Er wirkte sehr erschöpft und sagte er habe keine Lust mehr auf Laufen und ist seit zwei Monaten unterwegs. Bei manchen Menschen hat man hier das Gefühl, sie wollen leiden und schleppen sich so dahin. Klar, für manche Menschen ist das Sinn und Zweck der Reise, doch muss man sich so quälen? Leiden, um Vergebung zu erfahren, passt nicht wirklich in mein Konzept, dennoch lebt jeder Mensch bewusst oder unbewusst seine Wahrheit und seine Art für das Konzept ‚Leben‘ im Kopf.

Nachdem wir am nächsten morgen ordentlich ausgeschlafen haben ging es für uns weiter. Diesmal sollte ein kompletter Tag auf einem Radweg auf dem Programm stehen. Für uns ging es entlang des Rio Minho ins Landesinnere nach Tui. Es ging durch idyllische Gegenden, mit wenig Pilgern, immer entlang des Flusses. Der Fluss bildet die Grenze zwischen Portugal und Spanien und in Valenca überquerten wir den Rio Minho und landeten in Tui Spanien. Hier gab es gleich das obligatorische Foto vor dem Spanien-Schild und wir übten gleich die neuen Begrüßungsflosskeln für die spanische Bevölkerung ein. Wehe, wenn Sie losgelassen. So ging es zur ersten Herberge, die aufgrund von Reservierungen komplett ausgebucht war. Man munkelt, dass unsere Deutschen Mitbürger die Finger im Spiel hatten und auf Nummer sicher gehen wollten und per Telefon alles am Morgen reservierten. Sie können es eben einfach nicht lassen. Naja, jeder macht es eben so, wie er es für richtig hält. Dann ging es für uns in die nächste Herberge, wo wir von einem netten Holländischen Gast mit gutem Deutschkenntnissen die Tür geöffnet bekamen. Die Besitzer kamen kurze Zeit später und nach dem Stempel im Pilgerpass hatten wir unser Bett für 12€ fix. Die Herberge hatte einen tollen Garten, ausreichend Duschen und wahr sehr ordentlich. Robert und ich schliefen im 8 Bett Zimmer mit 2 weiteren Herren, die doch ein wenig viel Krach machten. Der eine schnarchte und der andere drehte sich gefühlt alle 5 Minuten lautstark um. So ist das eben manchmal, allerdings habe ich schon deutlich schlimmere Übernachtungen erlebt.

Nach einer kurzen Nacht ging es früh raus und ich sammelte meine gewaschenen Sachen von der Leine. Das mache ich übrigens jeden Tag so, da spare ich mir viele extra Klamotten. Wir starteten gegen 8 Uhr noch im halb dunkeln und gefühlt ist im Ort Tui nix los. Ist eben ein anderes Leben als bei uns, da wo ab frühs um halb 6 alle an die Arbeit rasen, dreht sich hier um 8 irgendwie noch kein Rad. Ebenso die Siesta (Mittagspause) in Spanien geht von um 13 – 16 Uhr, da haben viele Geschäfte einfach zu. Stell sich das doch einer bei uns vor, Ausnahmezustand!

Weiter ging es durch wunderschöne Landschaft und Natur. Wir gingen eine Extra Schleife, um den originalen Weg, der durch ein Industriegebiet geht, zu umgehen. Dieser war ca. 1 km länger und deutlich schöner. Wir passierten den 100 km Stein, 100 km noch bis nach Santiago de Compostella. Wir sind jetzt schon knapp 165 km in 5 Tagen gelaufen. Da wir kurz vor Santiago sind, werden es jetzt auch immer mehr Pilger, die sich auf den Weg machen. Und das sieht dann häufig aus wie großer Wandertag. Wir überholten wieder sehr viele Leute mit ihren extrem großen Rucksäcken und haben uns mit dem ein oder anderen auch ein wenig ausgetauscht. Wir trafen einen Vater mit seinem 10-jährigen Sohn, die mit gutem Tempo mit uns mithielten. Der Jakobsweg war das Geschenk des Jungen für seine Kommunion. Anstatt Fahrrad, Handy etc. gab es eine Reise und Zeit mit seinem Vater. Eine tolle Idee, wie ich finde. Denn Geld oder materielle Dinge kommen und gehen, doch vergangene Zeit kann nie wieder nachgeholt werden. Also, liebe Leser, tut jetzt die Dinge, die ihr immer schon gerne machen wolltet. Denn häufig wird aus später nie.

Nach einigen Höhenmetern, die wir heute hochgelaufen sind, ging es dann kurz vor unserem Zielort Redondella 200 hm steil bergab auf Meereshöhe. Die Stadt liegt an einem Seitenarm des Atlantischen Ozeans. Hier haben wir eine tolle Herberge gefunden, sehr sauber und aufgeräumt. Wie es die nächsten Tage bis nach Santiago weiter geht, gibt es im nächsten Beitrag!

Der Jakobsweg ruft !

Mein Kumpel Robert fragte mich spontan und kurzfristig, ob ich mit ihm den Portugiesischen Jakobsweg laufen möchte. Mein früherers ich hätte wie immer abgelehnt, bereite ich doch gerade alles für meine Selbstständigkeit vor und darf mir dabei doch keine Pause gönnen. Doch wer ständig nur aufs Ziel fixiert ist, verliert manchmal das Wesentliche aus den Augen: leben! Ein Ausspruch von Albert Einstein sagt sinngemäß, dass, wenn du immer wieder das Gleiche tust, du auch immer wieder die gleichen Ergebnisse bekommen wirst. Und da ich jetzt gerade andere Ergebnisse möchte, darf ich auch andere Dinge tun, vor allem Dinge, die mir Freude bereiten. Denn wenn wir relaxed und glücklich sind, treffen wir bessere Entscheidungen für unser Leben, da stimmt mir bestimmt jeder zu.

So ging es am 2. Oktober, mittags um 12 Uhr, für uns im strömenden Regen mit dem Auto Richtung Flughafen, Frankfurt. Doch nicht zum Fraport, sondern zum Flughafen Frankfurt/Hahn. Von hier startete unser Billigflieger von RyanAir Richtung Porto in Portugal, der seinem Namen alle Ehre machte. Ideal, um sich schon mal auf den Pilgermodus einzuschwingen. Weniger ist mehr also! Daher suchte ich mir Zuhause den kleinsten Rucksack, den ich finden konnte und beschränkte mich auf das Nötigste. Mit ca. 3 kg Gepäck war ich sehr zufrieden. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, so wie ich einen typischen Pilger im Kopf habe, mit riesen Rucksack und hochalpinen Wanderstiefeln das ganze Unterfangen in Angriff zu nehmen. Ein wenig skeptisch bin ich schon, was mich hier erwartet, da es für mich Neuland ist und ich laufen bisher vermieden habe, weil es gefühlt zu langsam war, um voran zu kommen. Zum anderen klang Jakobsweg laufen immer sehr touristisch für mich. Doch wir werden sehen, wie es sich dann in der Realität darstellt.

Nachdem wir in Porto gegen 19:30 Uhr gelandet sind, entschieden Robert und ich uns Porto auszulassen und gleich zu starten. So ging es 7 km bis zur nächsten Pilger Herberge, oder Alberge, wie man das hier nennt. Am Ende war es ein Campingplatz mit Bungalow für uns, absolut ausreichend.

Am nächsten morgen ging es gleich nach dem Frühstück mit straffen Schritt voran. Wir überholten unzählige Pilger mit riesigen Rucksäcken. Der Weg führte spektakulär immer am Meer entlang auf wunderschönen Holzstegen. Ein tolles Ambiente mit dem Meer und der tosenden Brandung. Wir hatten bestes Wetter mit viel Sonnenschein und sehr angenehmen Temperaturen.

Nach 1,5 h machte sich schon ein kleines Zwicken im Schuh bemerkbar und so hatte ich schon die erste kleine Blase. Nachdem wir in der nächsten Apotheke waren, gab’s Blasenpflaster und es ging wieder unbeschwert weiter. Die Muskulatur machte sich auch schon leicht bemerkbar, das hatte ich schon erwartet. Bei Robert als erfahrenen Pilger gab’s keine Probleme. Er ist zum dritten Mal auf dem Jakobsweg unterwegs und hat jede Menge Erfahrung.

Nach dem Mittag ging es mit meiner Muskulatur wieder aufwärts und wir zogen weiter an unzähligen Pilgern vorbei bis wir nach 30 km dann in Aquilla uns eine Alberge suchten und den ersten Tag beendeten. Ich bin in meinem Leben noch nie so weit an einem Tag gelaufen und bin happy mit dem Ergebnis. Meine Blasenpflaster haben gute Dienste geleistet und ich konnte ohne Beschwerden gut laufen. Robert und ich besuchten abends noch den Strand, um uns den Sonnenuntergang anzuschauen. Der war allerdings semi spektakulär, da es sehr diesig war, dennoch war es ein tolles Feeling am Meer. Wenn man sich vor Augen hält, dass da erstmal eine ganze Menge Wasser kommt, ehe man den Amerikanischen Kontinent erreicht, ist das schon krass. Nach dem Strand ging es dann zum Abendessen in ein Restaurant, welches ein Pilgermenu anbietet, was mit 9€ sehr reichlich war. Eine tolle Idee, finde ich und Getränke sind inklusive.

Nach einer angenehmen Nacht ging es von Aquilla gegen 8:00 Uhr im Morgendunst weiter. Diesmal mit deutlich mehr Natur und weniger Strand. Wir zogen wieder mit gutem Tempo los und hatten gegen halb 11 schon knapp 20 km geschafft, was mich sehr erstaunte. Wir liefen dann durch viele Ortschaften und versuchten in einigen Kirchen uns einen Stempel für unsere Credential zu holen. Nur war meist keiner da und so ging es weiter bis wir in einer kleinen Kirche das Ganze selbst in die Hand nahmen. Ein Stempel war da und nach einer kleinen Bastelstunde mit Stempel auseinander bauen hatten wir den Stempel in unserem Mäppchen. Robert erklärte mir, um die Compostella (Urkunde für die erfolgreiche Absolvierung des Jakobswegs) zu bekommen, braucht man mindestens jeden Tag einen Stempel, besser sind zwei um nachweisen zu können das man auch gelaufen ist und kein Herbergen-Hopping mit dem Bus gemacht hat. Soll es anscheinend geben, doch geht es um den Weg und viel weniger um das Ziel. Das Thema kennen wir aber schon.

Nachdem wir knapp 4 h ohne Pause durchgelaufen sind, hielten wir kurz vor Viano do Castello an, um zu checken, welche Herberge wir ansteuern sollen. Mit ein wenig zähen Beinen, ging es dann an die letzten 5 km, über eine ewig lange Brücke, in die Stadt rein. Dort sahen wir schon die Pilger an einer kirchlichen Herberge anstehen. Wir nix wie hin und nach kurzer Wartezeit konnten wir uns einen begehrten Platz ergattern, da es nur begrenzte Anzahl an Betten gibt. Mit 3 älteren Französischen Damen, die viel Redebedarf haben, wird das bestimmt noch lustig.

Wir haben heute knapp 33 km absolviert und ich bin erstaunt wie gut das Laufen klappt. Ein großer Vorteil von Robert und mir ist, dass wir sehr wenig Gepäck dabei haben, im Vergleich zu anderen Pilgern, die große Wanderrucksäcke mitführen.

Nach ein wenig Ruhepause haben wir noch eingekauft und uns dann in ein Restaurant mit Pilgermenu begeben. Dort trafen wir unzählige Deutsche, was auch sonst 🙂 Wir haben dort mit 4 Abiturienten aus dem Raum Köln zusammen gesessen und hatten einen unerwartet witzigen Abend. Danach ging es für uns noch an den Hafen, wo wir den Abend ausklingen ließen.