Bis ans Ende der Welt

Nach unserer Ankunft in Santiago haben wir den Abend mit Andy in einer coolen Tapas Bar ausklingen lassen. Dabei beschlossen Robert und ich, dass wir nicht nach Finisterra laufen werden. Ich warf in den Raum: „lass uns doch Roller mieten“, und er brachte die Idee, wir könnten uns auch Fahrräder mieten. Joar, beim Radfahren war ich dabei. Spontane Planänderungen sind doch immer gut. Dann haben wir am nächsten Morgen den nächsten Fahrrad-Verleih aufgesucht und uns zwei Räder geschnappt. Im Radladen wurde gerade ein TV-Interview geführt und natürlich wurden auch wir als ausländische Prominenz noch zu unserem Vorhaben „Jakobsweg“ interviewt. Mit sehr spartanisch ausgestatteten Bikes ging unsere Reise los. 

Wir heizten mit den Bikes durch die Stadt und hatten enormen Spaß. Die Bremsen funktionierten am Anfang kaum und das Fahrgefühl war sehr gewöhnungsbedürftig – das garantierte jede Menge Action. Wir bogen dann wieder auf den ursprünglichen Jakobsweg in Richtung Finisterra ab. Hier ging es immer nur bergauf und bergab mit krassen Steigungen. Wir passierten unglaublich viele Pilger auf unserer Tour. Nach einer ausgiebigen Mittagspause, nahmen wir die letzten Kilometer zu unserer Herberge in Angriff. Nach 60 km und ca. 1400hm war Schluss und wir kehrten in Oliveira in einer sehr überfüllten Herberge ein. Wir trafen dort Lennö aus Halle wieder und noch ein paar andere Deutsche. Wir hatten wieder einen Gemeinschaftsschlafraum mit 8 Betten und 6 Rentnern. Als wir in den Raum mit einem kleinen Fenster kamen, stach sofort der Mix aus Deo und Schweißgeruch in die Nase. „Willkommen im Pumakäfig“, dachte ich und „das wird bestimmt noch lustig hier“. Und in der Tat, die Herren sorgten für ordentlich Unterhaltung. Einer der Herren hatte einen mobilen DVD-Player in seinem Pilgergepäck mit dabei und erleuchtete damit den ganzen Raum, trug aber noch Kopfhörer. Er entschied sich dann gegen kurz nach 11 Uhr noch mal einen Snack zu sich zu nehmen. Es hörte sich gefühlt so an als würde er eine ganze Torte mit einmal verschlingen und vergessen dabei zu atmen. Robert und ich versuchten uns das Lachen auf unseren Betten zu verkneifen. Und nachdem er noch luftringend über 2 min die Steckdose an der Wand gesucht hatte, konnten wir uns nicht mehr halten. Am nächsten Morgen, pünktlich um 6 Uhr, weckte uns der DVD-Player-Pilger mit enormen Krach, als er sein ganzes Equipment im Dunkeln in seinen riesengroßen Rucksack zu packen versuchte. Dabei, mit Stirnlampe bewaffnet, mehr auf den Boden warf als in den Rucksack. That’s the Pilger Life würde ich sagen.

Nach einem kleinen Frühstück starteten wir im Dunkeln auf die letzten 30 km nach Finisterra. Es ging wieder viel bergauf und bergab bis wir dann in Cee das erste mal wieder den Blick auf das Meer und das Kap von Finisterra werfen konnten. So ging es dann erstmal wieder auf Meereshöhe, um dann gleich wieder steil bergauf zu fahren. Kurz vor Finisterra stoppten wir noch an einem wunderschönen Strand und genossen die ganze Szenerie mit Blick auf das Kap.

In Finisterra angekommen, gingen wir in unsere Herberge bei einer netten Ungarin. Danach ging es zu Fuß an das Kap in Finisterra. Früher galt dieses Kap als westlichster Punkt der alten Welt. Bevor Kolumbus Amerika entdeckte, dachten die Menschen dort sei Schluss. Viele Pilger nehmen nach Beendigung des Jakobswegs noch den Weg nach Finisterra auf sich, um der ganzen Pilgerreise einen krönenden Abschluss zu geben. 

Und hier war ziemlich viel Betrieb. Zum einen weil Feiertag in Spanien war, nämlich Tag des Kolumbus, und zum anderen weil viele Pilger vor Ort waren. Nachdem wir die Aussicht genossen haben, ging es wieder zurück und wir machten uns auf zu einem Strand auf der Westseite des Kaps, um dort den Sonnenuntergang zu bestaunen. Da wir noch nicht im Meer waren, haben wir das dabei gleich mal nachgeholt und was soll man sagen, es war frisch, doch hat jede Menge Spaß gemacht. 

Nach einem entspannten Abendessen, ging es zurück in die Herberge. Wir teilten uns mit einem Georgier, der in Deutschland lebt und einer Frau das Zimmer. Der Georgier hatte 60 km an einem Tag zurückgelegt, als er in Finisterra angekommen ist. Demnach war er ziemlich fertig. Er lag noch keine zwei Minuten in seiner Koje und schlief und schnarchte mit beängstigenden Atemaussetzern drauf los. Endlich wird mal wieder geschnarcht.

Am nächsten Tag sollte es mit dem Bus und den Bikes zurück nach Santiago gehen. Hier wartete schon die nächste Überraschung. Damit die Räder transportiert werden dürfen, müssen sie in Folie eingepackt sein. Völliger Blödsinn aber was will man machen. Also ging es in den einzigen Baumarkt der Stadt, wo ich Folie gekauft habe, mit der wir vor allem die Räder umwickeln sollten. So haben wir das eben widerwillig gemacht, mit viel Gelächter und Belustigung der unzähligen Pilger um uns herum. 

In Santiago haben wir die Bikes dann unbeschadet abgegeben. Nachdem wir unsere Einzelzimmer in unserer Herberge bezogen, ging es nochmal in die Stadt und wir schauten uns die riesengroße Kathedrale von Innen an. Eine bemerkenswerte Kathedrale von gewaltiger Größe und Prunk, im Inneren mit dem heiligen Jakobus auf einem silbernen Thron. Die Kathedrale ist schon über 900 Jahre alt und es ist einfach Wahnsinn, wenn man sich vorstellt wie genau, groß und aufwendig das Ganze gebaut ist. Im Inneren der Kathedrale waren unglaublich viele Besucher, da durch das heilige Jahr des Jakobus die Öffnung der Kathedrale verlängert wurde. 

Nach einem weiteren Stadtbummel ließen wir unsere Pilgerreise bei einem leckeren Abendessen ausklingen. Wir machten uns am nächsten Tag mit dem Bus Richtung Airport und traten unseren Heimflug an.

Ich bin froh mit meinem besten Kumpel Robert diese Tour gemacht zu haben. Wir haben unendlich viele witzige Momente gehabt, viel gelacht und viele Dinge besprochen, die uns bewegen. Die Zeit am Meer in Portugal und am Kap in Finisterra war für mich besonders reizvoll und schön. Es war toll für mich Portugal und Spanien zu entdecken. Länder, welche ich selbst noch nicht besucht habe und so dort in das Leben eintauchen konnte. Ich bin sehr begeistert von mir, dass ich knappe 255 km in 7 Tagen gelaufen bin, auch wenn es immer mal gezwickt hat, ging es super gut. Besonders erfreut bin ich auch darüber das wir mit unseren wenigen Sachen sehr gut zurecht gekommen sind. Wir ernteten viel Bewunderung für unsere minimale Ausstattung von 3 kg. Manche hatten ja Rucksäcke mit bis zu 15kg dabei.

Doch ich glaube, das wird nicht meine bevorzugte Art zu reisen.Da ich so einfach zu wenig Kilometer an einem Tag zurückgelegen kann und es für mich gefühlt zu langsam ist. Auch das Pilgern an sich ist mit Sicherheit für viele eine tolle Möglichkeiten, mit sich und anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Ich für meinen Teil fand es ein wenig zu touristisch und überlaufen dadurch das man ja den ausgeschrieben Jakobsweg folgt. Ich hätte mir gefühlt in den Herbergen mehr Pilgerfeeling gewünscht, wo die Leute mehr in Kontakt miteinander kommen und nicht jeder sein Süppchen kocht. Wir haben das z.B. in der Herberge in Portella erlebt, wo wir zusammen gegessen und den Abend verbracht haben. Dennoch möchte ich diese Erfahrung nicht missen vor allem das ganze mit Robert gemacht zu haben. See you soon !

Schlaflos durch die Nacht

Nach der Nacht in der Herberge in Redondella freute man sich schon fast wieder auf das heimische Bett. Da wir alle in einer Art großen Halle schliefen konnte man so auch alles und jeden hören. Die Schlafkabinen waren sehr schick gemacht keine Frage. Doch als frühs um kurz nach 5 schon die ersten anfingen ihre Sachen zu packen, andere immer noch dermaßen laut schnarchen das man sich fragt wie man überhaupt schlafen konnte und manche Wecker frühs um 6 einfach 30min lang klingeln ohne Pause freut man sich wahrlich auf zu Hause. Vielleicht fühlt sich der Alltag deswegen für die meisten nach dem Jakobsweg immer so leicht an weil sie dann mal wirklich zu schätzen lernen in welchem Schlaraffenland Sie täglich aufwachen.

Nach dem wir noch im Dunkeln gegen 8 Uhr gestartet sind, war ziemlich wenig los wie immer. Wir liefen dann aus der Stadt raus und passierten viele kleine Orte und als es heller wurde kamen auch immer mehr Pilger zum Vorschein. Wir hatten wieder einen ganz schönen Schritt drauf aber irgendwie unbeabsichtigt und zogen so an unzähligen Pilgern vorbei. Am Weg gab es nun auch überall kleine Stände die alles mögliche was mit Jakobsweg zu tun hat verkaufen.

Nach dem wir recht zeitig aufgrund unseres Tempos in der Stadt Pondevedra ankamen machten wir hier Mittag. Weshalb wir so schnell Laufen, können wir uns auch nicht erklären doch da mein Sprunggelenk schmerzte und leicht angeschwollen war sollte es jetzt ein bisschen langsamer voran gehen. Wir hatten jetzt noch ca. 10km bis in unsere Herberge die Robert ausgesucht hatte. Wie immer ohne Reservierung. Trotz das wir langsamer waren überholten wir immer noch ziemlich viele. Laut Robert’s Reiseführer gibt es dort nur eine geringe Anzahl an Betten und im näheren Umkreis von 10km keine weitere Unterkunft. So waren wir uns unsicher was wenn wir ankommen und es ist schon alles voll. Als wir kurz nach 15 Uhr ankamen war ein Gast da und wir durften uns noch zwei Betten schnappen der Rest war anscheinend schon reserviert. Diese Herberge ist definitiv anders zu denen wo wir vorher waren. Hier wurde Wert auf einige traditionelle Dinge gelegt. Es wird zusammen der Tisch gedeckt, gegessen und aufgewaschen. Ganz so wie es in ursprünglichen Herbergen zu ging. Es war ein bunter mix aus Nationalitäten in dieser Alternativen Herberge von Deutschland, Ungarn, Italien, USA und Rumänien. Die Herberge wird von Pedro geleitet der ein wenig wir Jesus aussieht und Jorge der jeden Tag das Abendessen kocht und dem die Herberge gehört. In der Herberge sind alle Wände vollgeschrieben mit Botschaften von Menschen aus aller Welt die hier übernachteten. Da gibts viel zu entdecken. Wir hatten zusammen einen tollen Abend mit interessanten Gesprächen. Ich unterhielt mich lange mit Russel, 49 aus den USA über Spiritualität und in welch grandioser Zeit wir Leben wo so vieles möglich ist und das wir Menschen uns nur selbst im Weg stehen. Mit dem Mindset eines Amerikaners lässt es sich ganz anders über diese Dinge sprechen und ich merkte sofort diese „think big“ Mentalität. Robert hat sich lange mit Manuel aus Portugal unterhalten der den Jakobsweg bereits zum 18ten Mal läuft. Den Portugiesischen ist er bereits 8 mal gelaufen. Hier gab’s viel Experten Wissen aufzusaugen.

Nach einem schönen Abend ging es gegen 22:30 Uhr ins Bett. Hier ging es dann los das einige sehr gut schliefen und andere gefühlt überhaupt nicht. Die die gut schliefen waren vor allem die Schnarcher im Schlafsaal. Davon gab es 3 Stück in unterschiedlicher Tonlage von tief bis hoch war alles dabei. Einige verließen aufgrund dessen die Herberge bereits vor um 6 frühs und man bedenke es wird erst gegen kurz nach 8 hell. Ich war ziemlich gerädert nach der Nacht und Robert gab nur zu Protokoll das er sehr gut geschlafen habe : )

Leicht zerknirscht machten wir uns nach kurzer Verabschiedung auf den Weg. Der Sonntag machte seinem Namen alle Ehre mit sehr bedeckten Himmel und kalten Temperaturen. Doch es blieb zum Glück noch trocken. Unser nächstes Ziel war Padron was wir diesmal mit langsameren Tempo angingen. Nach dem wir unsere Herberge erreichten durften wir gleich wieder weiter da diese schon ausgebucht war. Auf der anderen Straßenseite gab es gleich die nächste wo wir ein tolles Plätzchen fanden. Mein Sprunggelenk war jetzt auch schon deutlich besser. So haben wir jetzt noch eine Tagesetappe bis Santiago vor uns. Wir trafen in der Herberge noch Andy aus Freiburg vom Abend zuvor mit dem wir uns auf Abendessen suche begaben. Was anfangs gar nicht so einfach war. Als wir dann etwas gefunden haben waren wir mit Deutscher pünktlich natürlich zu früh dran. Essen gibts in den Restaurants in Spanien erst ab 20 Uhr. Also warteten wir und werteten den Tag aus. Nach einem ausgiebigen Abendessen ging es zurück in die Herberge. Draußen wurde aus dem bedeckten Himmel Regen, der uns auch den ganzen Nächsten Tag nach Santiago begleiten sollte.

Um 8 Uhr morgens starteten wir im Dunkeln schon im Regen auf unseren Weg nach Santiago. Hatten wir am Tag zuvor wenig Pilger gesehen so war es heute die reinste Pilger Autobahn schon im Dunkeln. Alle Pilger mit Regenponcho ausgestattet sah es von weitem fast so aus ob alle ABC Schutzanzüge anhatten und wir uns direkt im Krisengebiet befanden. Ich probierte es auch kurz mit Regen Jacke doch da es aufgrund unseres Tempos doch recht warm wurde ging es ohne Regenschutz in die Schlacht. In einer Bäckerei holte ich mir 4 Donuts und ein Croissant 8€ dafür waren ziemlich happig doch ich hatte Hunger. Die Preise vor Santiago ziehen an, also seid auf der Hut. Die Strecke nach Santiago hatte jetzt ehrlich gesagt keine Highlights für mich parat außer massen an Pilgern. Nach einer kurzen Mittagspause hatten wir noch ca. 6km bis zur Kirche in Santiago de Compostella. Da angekommen ging es direkt zur Austellung der Compostella Urkunde mit Online Anmeldung ging das ganze sogar ziemlich zügig. Hier wird einem per Urkunde dokumentiert wie viel und von wo man gestartet ist. Für viele ist das ja ein Muss. Wir sind ja nicht unbedingt in der Nebensaison unterwegs und waren auch recht früh dran, möchte mir gar nicht ausmalen was hier in der Hauptsaison los ist.

Wir sind nun in 7 Tagen ca. 255km gelaufen worüber ich enorm stolz bin. Man merkt dabei erstmal was gewisse Distanzen bedeuten die wir heut zu Tage z.b mal schnell mit dem Auto zurücklegen. Das obligatorisches Foto vor der Kathedrale haben wir natürlich auch gemacht und dann ging es zur unserer Herberge dem Seminario Menor einem alten Knaben Internat. Hier trafen wir Andy von gestern wieder mit dem wir uns zum Abendessen verabredeten und so unsere Ankunft in Santiago in einer exklusiven Tapas Bar ausklingen liesen.

Am Dienstag den 11.10.22 machen wir uns dann auf den Weg ins 90km entfernte Finistere zum Ende der Welt. Was es damit so auf sich hat und ob wir wieder heimgefunden haben erfahrt ihr dann im nächsten Beitrag.