Wölfe und dünne Luft

Ich bin gegen 7:30 Uhr in Osh gestartet, um der Hitze von fast 40°C täglich ein wenig zu entgehen. Ich habe erstmal noch ein wenig Proviant aufgefüllt mit Wasser und Snacks. Ich war froh aus Osh raus zu sein, weil der Verkehr und die ganzen Abgase mir keine Freude machen. So dauerte es auch nicht lange und der Verkehr lies spürbar nach. Nachdem ich in einem Magazin (Einkaufsladen) mir noch was zu Essen besorgte, kam ich mit Erzat, der im Laden arbeitete, ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er einen Deutsch-Kurs in Osh besuchte und wollte nun seine Kenntnisse im Gespräch mit mir anwenden. Wir unterhielten uns ein wenig und er war so happy darüber, dass er mich zum Essen einlud. An den Laden war ein großes Restaurant angeschlossen, welches seiner Familie gehörte. Dort bekam ich Tee, Brot und 2x Samsa aufgetischt. Samsa sind mit Fleisch gefüllte, sehr würzige Brottaschen, die enorm lecker sind. Nachdem wir noch Adressen ausgetauscht und Fotos gemacht haben, verabschiedete ich mich und fuhr weiter.

Ich habe es bewusst langsam angehen lassen. Da bis nach Sary Tash und Sary Moghol ca. 4000 hm und knapp um 220 km zu absolvieren waren. Am ersten Fahrtag nach Osh ging es moderat bergauf, ohne krasse Anstiege, dennoch hatte ich nach 60 km über 1150 hm absolviert. Kurz vor dem ersten Pass in einem kleinen Ort, suchte ich mir direkt am Fluss einen Zeltplatz. Ich dachte ‚Schlaf so hoch wie möglich, um dich an die Höhe der kommenden Tage zu gewöhnen‘. Bei meiner Zeltplatzsuche kam ein Einheimischer auf mich zu, der sehr gut Englisch sprach und ich fragte, ob es ok sei an der Stelle zu zelten. Er sagte ‚ja, es sei ok, ich sollte nur in der Nähe der Häuser bleiben‘, klärte das aber nicht weiter auf. ‚Na gut‘, dachte ich mir, wird schon gehen und breitete mich aus, wusch mich im Fluss und lies den Tag ausklingen. Der Zeltplatz war keineswegs abgeschottet und auf dem Weg, der dort vorbei führte, war reger Betrieb. Erst viele Autos und dann später trieben die Bauern ihre Kühe und Ziegen zurück in die Stallungen. Schlafen ging irgendwie nicht so gut, bellten doch den Großteil der Nacht Hunde. Da kamen mir die Situationen aus Georgien 2017 wieder hoch als Patrick und ich im Zelt lagen und plötzlich nachts ein lautes Wolfsheulen einsetzte, was sich sehr, sehr nah anhörte. Damals hatten auch die Hunde ringsrum lange gebellt. Vielleicht deswegen der Rat dicht an den Häusern zu schlafen? Naja, ein wenig unruhig war mir schon zumute. Nachdem ich mich nochmal zum Austreten gegen Mitternacht rausquälte, staunte ich nicht schlecht, als ich über mir die Milchstraße am Sternenhimmel sah. Jetzt dachte ich: alles oder nichts. Stativ raus und Kamera an, das lass ich mir nicht entgehen. Hatte ich damals 2017 die Chance schon einmal vertan als ich mit Magenkrämpfen in Kasachstan im Zelt lag und gefühlt zu schwach war Bilder zu machen. Nachdem ich ein paar Bilder gemacht habe, ging es zurück ins Zelt. Ich lauschte noch aufmerksam dem Gebell der Hunde bis ich dann doch irgendwann einschlief.

Am nächsten morgen, als die Sonne aufging, wurde es rasend schnell warm und ich packte alles zusammen, frühstückte und machte mich auf den Weg den ersten Pass auf knapp 2400 m, der ca. 4 km vor mir lag, zu überwinden. Es war kurz nach 8 Uhr und schon verdammt heiß. Der Schweiß floss in Strömen. Oben angekommen machte ich noch ein paar Bilder und stürzte mich dann in die knapp 15 km lange Abfahrt nach Gulcha. So schön die Abfahrt auch war, musste ich nur dran denken, dass ich dann später auch alles wieder hochfahren muss. In Gulcha startete ich in einem Restaurant dann Frühstück Nr. 2 mit Manti (gefühlte Teigtaschen). Nach dem Frühstück war klar: ab jetzt geht es nur noch bergauf, ist doch irgendwie gut zu wissen, was auf einen zukommt. Die Straße führte immer entlang des Gulcha Flusses durch traumhafte Landschaft mit sehr wenig Verkehr.

Ich hatte mir für abends schon einen Zeltplatz ausgemacht. Dort angekommen, sah es nicht ganz so optimal aus, da starker Wind aufzog und ich hier keine Lust drauf hatte wieder den menschlichen Hering für das Zelt zu spielen. Ich fand eine kleine, windgeschützte Ecke und dachte mir ok, hier könnte es gehen. Wenige Minuten später hielt ein weißes Auto in meiner Nähe mit einem jungen Mann, der mir klar machte, nachts seien hier Wölfe unterwegs und es wäre sicherer bei ihm zu schlafen. Ich hatte mich im Vorfeld mit dem Thema Wolf beschäftigt und hätte nicht erwartet, dass es dort, wo ich war, Probleme geben könnte, weil noch Ortschaften in der Nähe waren. Der Wolf soll an sich ja scheu sein, dennoch dachte ich mir, dass der Junge Mann es besser wissen wird als ich. So lotste er mich auf sein Grundstück mit Jurte. Wir kommunizierten per Google Translator und er machte mir klar, dass er erst seine Ziegen vom Berg holen muss und dass er in 1,5 h zurück ist. Ich sollte mir es schon mal gemütlich machen. Währenddessen brachten Freunde von Bacha – so hieß der Junge Mann – einen stark angetrunkenen, älteren Herren in die Jurte und legten ihn ins Bett. Da dachte ich mir schon, das kann ja lustig werden. Dieser torkelte dann noch ein wenig durch die Jurte bis er raus stürzte und im Gras vor der Jurte weiter schlief. Als Bacha mit seinen Ziegen vom Berg zurückkam, stellte sich raus, dass der Betrunkene sein Vater ist, den wir jetzt noch zu ihm nach Hause fuhren. Ich befürchte, dass es jetzt noch ein großes Familienessen und Verköstigung gab. Jedoch lieferten wir den Vater ab und fuhren zurück zu Bacha’s Jurte. Dort tauschten wir uns noch ein wenig aus und gingen dann zeitig schlafen. Ich war sehr froh über den Zustand, da ich doch durch die Nacht vorher ein wenig beunruhigt war, jedoch auch nur durch das Wissen, dass hier etwas sein könnte. Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Am nächsten morgen tauschten wir noch Nummern aus, falls ich Hilfe gebrauchen könnte, machten noch ein paar Bilder und dann startete ich Richtung Sary Tash.

Für mich stand an diesem dritten Fahrtag ordentlich Höhenmeter auf dem Programm. Es geht dabei über 2 Pässe mit 3615 m und 3550 m Höhe und eine Strecke von knapp 50 km, was sich eigentlich nicht viel anhört. Anfangs ging es durchaus wieder sehr moderat nach oben. Dabei durchquerte ich wunderschöne Landschaften, die einen manchmal zweifeln liesen, ob man jetzt in Kirgisistan ist oder doch eher in den USA in der Nähe des Grand Canyon. Nachdem das erste Restaurant geschlossen hatte, fand ich glücklicherweise noch ein zweites, wo ich mich nochmal stärken konnte, vor den zwei Pässen. Es gab einen Mix aus Nudeln, Reis, Soße und ein wenig Fleisch mit dem Namen Gulasch. Man konnte es essen, aber das Highlight war es nicht. Ich war nun schon auf einer Höhe von 2800 m und hatte jetzt noch knapp 800 hm vor mir. In einem kleinen Ort vor dem Pass, kaufte ich mir noch ein paar Snacks und wurde frenetisch bei der Abfahrt von den Kids auf der Straße gefeiert. Ab jetzt ging es ziemlich steil ca. 10 km bis auf den Pass rauf. Das war schon ordentlich anstrengend und ich machte doch deutlich mehr Pause als mir lieb war. Auf dem Weg nach oben stand ein kleines Mädchen, welches wahrscheinlich auf ein Taxi wartete. Dieses kleine Mädchen schenkte mir, als ich sie passierte, eine kleine Blume und wünschte mir einen guten Weg nach oben. Diese Geste war für mich unglaublich schön und ich schätze das Mädchen auf ca. 6-7 Jahre, welches da ganz alleine am Straßenrand stand. Besonders bemerkenswert finde ich, dass in vielen Lebensmittelgeschäften hier Kinder an der Kasse sitzen, die für mich gefühlt irgendwo zwischen 5 – 8 Jahre alt sind. Die machen ihren Job echt gut und dabei frage ich mich, weshalb traut man das den Kindern bei uns Zuhause nicht zu. Die gefühlt vor jeder Verantwortung beschützt werden und dann schlagartig mit 18 Jahren eigenständige Erwachsene sein sollen.

Aber zurück zum Anstieg auf den Taldyk Pass. Je höher ich kam, umso mehr Pausen musste ich einlegen und merkte die dünne Luft sehr. Ich fuhr teilweise in Serpentinen die Straße hoch damit es leichter geht. Die Straße dort ist auch nicht immer im besten Zustand, da häufig nach Regenfällen Erdrutsche die Straße verschütten und so doch auch viel Staub und Dreck liegt, der durch vorbeifahrende LKW aufgewirbelt wird. Als ich dann irgendwann oben angekommen war, war ich mega happy und erleichtert das hinter mich gebracht zu haben. Ich machte noch ein paar Fotos und wurde gleich von den umliegenden Kirgisen als Fotomodell benutzt. Und so kamen dann etliche Leute, die ein Foto mit mir wollten und natürlich wissen wollten woher, wohin, wie alt etc.

Nach dem Fotoshooting ging es dann erstmal wieder ein paar Kilometer bergab, um dann gleich wieder den nächsten Pass auf 3550 m Höhe zu überwinden. Bei der Abfahrt hat man kurz einen genialen Blick auf die Spitze des 7140 m hohen Pik Lenin. Ein toller und sehr beeindruckender Ausblick, wenn rundherum alles grün ist und dieser Berg mit seinem schneebedeckten Gipfel heraus sticht.

Nach dem Überwinden des nächsten Passes, ging es dann nur noch bergab. Die Einfahrt nach Sary Tash war sehr beeindruckend durch die Schnee-bedeckten Berge der Alai Kette im Hintergrund, die bis zu 6500 m hoch sind. Der Ort liegt auf ca. 3200 m und ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Zum einen treffen sich hier der Pamir Highway von Tadschikistan Kommend und die Straße zum Irkeshtam Pass zum Grenzübergang nach China.

Alles in allem waren die letzten drei Tage aufregend und sehr abwechslungsreich. Habe ich doch großartige Menschen und extrem viel Hilfsbereitschaft erfahren dürfen.

Ich werde jetzt hier ein paar Tage in Sary Tash bleiben und dann weiter nach Sary Moghol fahren. Ich bin in der Pamir extreme Mountain Lodge untergekommen, welche wirklich top ausgestattet mit sehr sauberen Zimmern ist. Aus dem Aufenthaltsraum hat man einen genialen, ungestörten Blick auf die Alai Berge, die im Hintergrund liegen. Es war allerdings auch eine kleine Herausforderung hier unterzukommen. Als ich ankam, war gefühlt keiner da und alle Türen standen offen, doch ich fand im Haus keinen. Dann mal den Besitzer des Pamir Extreme angerufen, die russische Bandansage macht mir klar: entweder Nummer falsch oder nicht erreichbar. Nagut dann zum nächsten Guesthouse. Hier das gleiche Spiel: alle Türen auf und keiner da. Ok, dachte ich mir, lass mich erstmal was essen irgendwo, dann wird sich schon was ergeben. Kurz darauf meldete sich Shamurat vom ersten Guesthouse und erklärte mir, dass er unterwegs sei und jemand mir ein Zimmer geben würde, wenn ich zurück fahre. Plötzlich war sogar jemand anzutreffen und ich konnte mein Zimmer beziehen. Also immer dran bleiben, nur nicht immer so verbissen.

Es ist alles sehr neu und ich bin komplett alleine. Gut zum Abschalten und Reflektieren, was so alles passiert ist und was in Zukunft noch alles Spannendes auf mich zukommen wird. Momentan plagt mich leider auch wieder ein wenig Durchfall und ich hoffe, dass ich das mit meiner Reiseapotheke in den Griff bekomme, bevor ich Richtung Pik Lenin aufbreche. Shamurat, der Eigentümer des Pamir extreme, hat die Pandemie genutzt, um ein komplett neues Guesthouse zu bauen, was sich wirklich sehen lassen kann. Er bietet viele Touren an, ob mit Mountainbike, zu Fuß oder Skitouren im Winter und kennt sich bestens aus in der Gegend. Also wenn ihr mal nach Sary Tash kommt dann ins Pamir Extreme. Da mich das Thema mit den Wölfen immer noch beschäftigt hat, habe ich Shamurat als Experten befragt und er sagt es sei Schwachsinn gerade in der Nähe von Häusern oder Dörfern Wölfe zu erwarten. Er meinte manche Einheimische machen das manchmal größer als es ist. Er sagt es gibt in Kirgisistan Wölfe, doch hat er noch nie von einem Vorfall gehört. Haben wir doch wieder was gelernt.

Ich lege jetzt noch ein bisschen die Füße hoch und werde euch dann berichten, wie es im Basecamp vom Pik Lenin so zugeht.

2 Gedanken zu “Wölfe und dünne Luft

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