Bus Racing Kirgisistan

Ja, nachdem mir die Zeit ja ein wenig ausging und ich noch mal ein paar Sachen im Nordosten Kirgisistans anschauen wollte, musste ich irgendwie nach Bishkek zurück kommen. Fahren stand außer Frage, da ich die gleiche Strecke nicht noch mal zurück fahren wollte, wie hin. So dachte ich mir, werde ich schon jemanden finden, der mich mitnimmt von Osh nach Bishkek. Ich brach am 27. Juli in Gulcha Richtung Osh auf. Zuerst musste ich noch einen Pass von knapp 2400 m überqueren und ab da ging es nur noch bergab nach Osh. Ich startete sehr früh in Gulcha, um dem aufkommenden Gegenwind im Laufe des Tages voraus zu sein. Ich war um ca. 9:00 Uhr auf dem Pass und konnte es ordentlich, ohne Gegenwind, laufen lassen. Ich kam extrem gut voran, doch gegen 11:00 Uhr wurde der Gegenwind immer stärker und wieder sehr ungemütlich. Fast wie bestellt und ich war froh so früh gestartet zu sein. Mein Plan war eigentlich in Osh zu übernachten und mir am nächsten Tag eine Taxi nach Bishkek zu organisieren. Da ich schon gegen Mittag in Osh war, dachte ich, warum warten, ich kann ja jetzt schon mal schauen. Meine erste Idee war per Anhalter bei einem LKW mitzufahren. Das wird häufig empfohlen, wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Ich habe mir dann ein Stück Pappe besorgt und von einer sehr netten, freundlichen Verkäuferin das Schild mit dicken Edding mit ‚Bishkek‘ beschriften lassen. So stellte ich mich einfach mal an die Straße und schaute was passiert. Ja, es passierte gar nix, bis mich dann ein paar freundliche Taxifahrer darauf hinwiesen, ich müsse raus aus der Stadt und es dort versuchen. Ich fuhr mit dem Fahrrad ein paar Kilometer aus der Stadt. Es war inzwischen schon wieder unerträglich heiß in Osh mit ca. 40°C. So suchte ich mir einen Platz mit ein wenig Schatten und hielt mein Schild nach oben. Wieder passierte hier nicht viel. So hatte ich mir meine erste per-Anhalter-Fahrt nicht vorgestellt. In einiger Entfernung machte die Polizei Verkehrskontrollen. Die Polizisten sahen mich mit meinem Schild. Ein Polizist fasste sich nach kurzer Erklärung ein Herz und winkte mehrere LKW extra für mich aus dem Verkehr. Ich spürte förmlich, dass er sich dabei ziemlich mächtig fühlte. Die LKW-Fahrer waren vergleichsweise nicht sonderlich begeistert mich mitzunehmen und so gab es hier auch keine Mitfahrgelegenheit für mich. Ich stand noch eine halbe Stunde in der Hitze und entschied mich dann wieder ins Zentrum nach Osh zu fahren, um dort auf dem Basar mein Glück zu versuchen. Also in der Hitze wieder zurück in die Stadt.

Am Bus-Platz angekommen, wurde ich schon von unzähligen Leuten umworben, die mir ansahen: der Junge will nach Bishkek. Nach einigen Verhandlungen, stand der Bus fest, bei dem ich mit fahre. Umgerechnet 20€ für mich und Fahrrad für die 600km in Hauptstadt waren akzeptabel. Ich hob mein Rad in den Sprinter und kaufte noch Wasser und ein wenig zu Essen ein. Ich dachte 5-6h werden wir ja schon fahren. Als ich wieder kam, standen hinter dem Sprinter unzählige Kisten mit Obst, was anscheinend mitgenommen werden sollte. Da dachte ich mir schon, dass da mein Rad dann aber nicht mehr rein passt. War auch so und ein älterer Herr, der sich als Mitfahrer rausstellte, wollte mir klar machen, das Rad kommt dann oben auf’s Dach. Ein Fahrer schlug mir vor, wir könnten doch das Rad hinten an den Sprinter binden, mit Taschen. Ich machte den Jungs klar, dass keiner der Vorschläge für mich akzeptabel gewesen wäre. Nach einigem hin und her, mit viel Getöse, konnte ich das Rad mit Taschen direkt hinter dem Fahrer platzieren. Puh, war ich erleichtert, dass das Rad jetzt im Auto war. Ich entdeckte im Sprinter dann den Schlafbereich, der direkt unter dem Dach lag und mit Matratzen, Decken und Kissen ausgestattet war. Gerade so hoch, dass man dort halb sitzen konnte. Für mich stand fest, ich würde dem Fahrer nicht von der Seite weichen und mich keinesfalls zum Schlafen hinlegen. Irgendwann gegen 16:30 Uhr ging dann die Fahrt endlich mal los, mit 5 Personen.

Wir verließen den Basar und schon ging das Rennen-fahren los. Noch in Osh wurden die ersten roten Ampeln überfahren und ich dachte mir so, „ok, was geht hier ab?“. Nachdem wir dann noch angehalten haben und ca. 20 min. warteten, kamen die nächsten 5 Personen hinzu. Die natürlich alle an mir und dem älteren Herrn vorbei unter das Dach krabbelten und dort die ganze Fahrt lagen. Insgesamt 7 Leute haben dort gelegen, unvorstellbar für mich bei dieser Fahrweise, die der Fahrer an den Tag legte. Es ging mit ca. 100 – 120 km/h innerorts, wie außerorts, immer auf der linken Spur manchmal zu dritt oder zu viert, mit Gegenverkehr dahin. Das Radio voll aufgedreht und gefühlt immer Vollgas. In Deutschland hätte der Gute nach einem Kilometer mit Sicherheit schon 3x den Führerschein abgeben müssen. Nach 4 h gab es dann die erste Pause und wir hielten in einem Restaurant. Ich gönnte mir Manty und Tee.

Nach dem alle wieder ins Auto gekrabbelt waren, ging die rasante Fahrt weiter. Währenddessen wurde ich von allen Seiten interviewed und mit allen möglichen Fragen gelöchert. Wie viele Kinder ich hätte, ob verheiratet, Beruf und ganz wichtig: was für ein Auto ich fahre. Die Jungs waren absolute Mercedes-Fans und waren ein wenig enttäuscht, dass ich selbst keinen fahre. Der Mercedes-Sprinter, mit dem wir unterwegs waren, hatte knapp 700.000 km runter und von außen waren schon etliche Kampfspuren ersichtlich. Das Tempo war weiterhin rasant und es wurde überholt, wo es nur ging. In einer größeren Stadt hielten wir plötzlich an und die Jungs forderten mich auf, mit ihnen zu kommen. Wir gingen an einen kleinen Verkaufsstand, wo es Jarma gab, die Coca Cola Kirgisistan’s, wie mir gesagt wurde. Jarma ist ein Kaltgetränk aus gemahlenen Gertreide, was fermentiert wird und mit Ayran gemischt wird. Ja, was soll ich sagen, das hat scheußlich geschmeckt und nach 2-3 Schlucken winkte ich dankend ab. Die Jungs lachten nur, kauften sich jeder ein 5 l Kanister von der Brühe und ab ging’s ins Auto und weiter. Ich merkte vorher schon, ‚ok, die Fahrt wird ein wenig länger dauern‘, und als der Fahrer mir sagte, dass wir gegen 06:00 Uhr in Bishkek ankämen, schaute ich nicht schlecht. Die nächsten Stunden ging die Raserei weiter und gegen 2 Uhr nachts gab es dann kurz nach einer Mautstelle die zweite Pause, nach knapp 10h. Hier sah man dann auch mal alle 7 Leute, die unter dem Dach lagen, an der frischen Luft. Nebenan wurde noch schnell eine Baggerschauffel verladen, wobei man hätte meinen können, dass die Vorderachse des Transporters gleich abhebt. Es war verblüffend zu sehen, was da nachts alles so auf den Beinen ist. Gefühlt habe ich nachts mehr Menschen und Fahrzeuge gesehen als tagsüber. Für uns ging es dann die nächsten Stunden über einige Pässe, wo wir natürlich nicht mehr ganz so so spritzig unterwegs waren. Überholt wurde trotzdem noch immer. Hier sah man dann auch unzählige Menschen und Fahrzeuge, die am Straßenrand standen und Pannen und Probleme mit ihren Fahrzeugen hatten.

Als wir dann den Tunnel, von dem ich am Anfang meiner Beiträge berichtet hatte, passiert hatten, ging es bergab und wieder flotter voran. Hier waren noch andere Sprinter unterwegs, mit denen wir uns dann duellierten. Der Fahrer und ich waren noch die einzigen, die wach waren und ich hatte doch auch schon stark mit Müdigkeit zu kämpfen. War ich doch nun auch schon seit knapp 6 Uhr auf den Beinen und hatte knapp 90 km mit dem Fahrrad absolviert. Gegen halb 5 hatten wir die Berge hinter uns gelassen und rassten nun Richtung Bishkek. In einigen Ortschaften machte der Fahrer das Licht aus vom Bus und versuchte mir zu erklären, dass er dadurch der Geschwindigkeitskontrolle der Polizei entgehen kann. Naja, was soll ich sagen. „Geht’s noch?“, dachte ich mir. Der Sprinter war so laut, dass man ihn schon von Weitem hörte. Wie soll der nicht auffallen, gerade nachts, wo so wenig Verkehr war. Nuja, nachdem er das Spiel 3-4 gemacht hatte, bogen wir plötzlich von der Straße ab und das ganze Obst wurde hier auf einem lokalen Markt abgegeben. Anschließend fuhren wir weiter nach Bishkek, wo wir dann endlich gegen 06:00 Uhr in der Früh ankamen. Ja, sein Versprechen hat er ja gehalten, mit der Uhrzeit. Wir kamen an einem großen Bus-Platz an und der Fahrer hüpfte aus dem Bus und verschwand. Mein Banknachbar und ich waren ein wenig verunsichert, ob es jetzt noch nicht weiter geht? Währenddessen wir so warteten, schlief ich ein und bin gegen 7 Uhr wieder aufgewacht. Ich habe mich dann aus dem Bus geschält, mein Rad zusammen gebaut, meine Taschen aus dem Bus geholt und alles fahrfertig gemacht. Ich hatte mich dann doch leicht verschlafen auf den Weg ins Hostel gemacht, wo ich mich erstmal wusch und ausschlief. Leute, was soll ich sagen, das war die krasseste Busfahrt in meinem Leben und ich lebe noch.

Im Tunduk Hostel waren wieder viele coole Leute unterwegs und man konnte sich super austauschen. Mehrere Radfahrer und iranische Bergsteiger, die den Pik Lenin bestiegen haben. Das spanische Radfahrer-Trio traf ich auch wieder im Hostel und sie berichteten mir, dass bei ihrer Busfahrt zurück nach Bishkek die Heckklappen des Sprinter aufgingen. Dabei verloren sie eine Tasche, weil das Ganze viel zu spät bemerkt wurde. Da war ich froh, dass ich mein Rad direkt hinter mir mit allen Taschen geparkt war. Ich unterhielt mich sehr ausgiebig mit Ahmad, einem Iraner, der den Pik Lenin besteigen wollte, aber aus gesundheitlichen Gründen bei 6500 m abbrechen musste. Ahmad flüchtete 2009 auf eigene Faust aus dem Iran, da er das Totalitäre Religionsregime satt hatte. Er war ein halbes Jahr komplett alleine unterwegs, zu Fuß sagte er, ohne Hilfe. Mit Schlauchboot übers Meer und harten Zeiten, als er zur Winterzeit unterwegs war. In der Schweiz wurde er dann kontrolliert, hatte keinen Pass und kam dort in ein Flüchtlingsheim. Mittlerweile lebt er seit zwölf Jahren in der Schweiz und spricht sehr gut Deutsch. Er hat eine Festanstellung und Wohnung und liebt das Leben in der Schweiz. Er sagte, dass er so froh ist, dass er geflohen ist, weil das Regime im Iran immer schlimmer wird. Er sagte, das alles war nicht einfach, doch seine innere Stimme hat ihm gesagt, dass ihm ein anderes Leben bestimmt ist und dass er hier weg müsse. Ein tolles Beispiel dafür, dass Mut immer belohnt wird. Leider haben wir uns dann nicht noch mal gesehen und so konnte ich leider kein Foto mit ihm machen.

Kurze Zeit später kam dann noch Jonathan aus Deutschland mit dem Rad im Hostel an, ziemlich fertig, da er von Armenien nach Bishkek geflogen ist und eine stressige Reise hatte. Wir kochten und aßen zusammen spät noch Abendbrot und ich lauschte Jonathans Erlebnissen. Er ist 21 und seit gut 11 Monaten unterwegs, von Deutschland aus. Er war bereits in Israel und Jordanien und hat eine etwas andere Route als wir genommen 2017. So klang der erste Tag im Hostel aus.

Am zweiten Tag überlegte ich dann, was ich mit meiner restlichen Zeit noch anfangen könnte und überlegte mir eine Etappe des Silk Road Mountain Race über den Kegety Pass zu fahren, dann über den Song Kul und Yssy Köl See zurück nach Bishkek. Wie das so alles gelaufen ist, gibt’s dann im nächsten Beitrag.

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